Donnerstag, 9. Juli 2009

Raja Yoga / II.

Und noch zwei kurze Auszüge:

Wenn zum Beispiel jemand zu euch sagt: „Du Esel!“, dann hat dies in der Wirklichkeit keine Korrelation. Ihr habt deswegen weder längere Ohren noch ein graues Fell. Ihr könntet jetzt darüber stehen und einfach denken, derjenige, der das sagt, hat seinerseits ein irriges Verständnis. Aber trotzdem beeinflußt es einen irgendwie. Oder wenn einem jemand sagt: „Das ist nicht richtig gemacht“, dann reagieren wir unsererseits nicht nur mit der neutralen Feststellung: „Aha, der hat gesagt, das ist nicht richtig gemacht“ – denn seine Aussage kann ja entweder korrektes oder irriges Wissen widerspiegeln. Für uns ist es gleichzeitig noch etwas anderes, nämlich Lob oder Tadel. Man ärgert sich darüber oder fühlt sich in Frage gestellt, getadelt – nicht unbedingt in jeder Situation, aber ab und zu passiert es einem schon. Das ist Vikalpah. Wir identifizieren uns mit den Worten. Wir nehmen nicht nur die Worte als solche und überprüfen den Wahrheitsgehalt, sondern wir identifizieren uns mit der Aussage, wir beziehen die Worte auf uns selbst, denn das Ego hat den Wunsch nach Bestätigung.

[...]

Shanmug, ein langjähriger Yogalehrer, der hier als Gastreferent gelegentlich Seminare gibt, bringt immer einige Elemente aus der Psychologie in seine 20jährige Yogalehrerpraxis ein. Letztes Mal, als er hier war, sprach er darüber, daß es nach den Erkenntnissen der modernen Psychologie einige wenige sinnlose Grundüberzeugungen sind, die viele Menschen unglücklich machen. Eine dieser Grundüberzeugungen ist: „Ich muß alles richtig machen, ich muß vollkommen sein, sonst ist alles schlecht“. Das ist dieser Perfektionismus. Aber kann man wirklich vollkommen sein? Man kann nur vollkommen sein, wenn man seine Ansprüche sehr niedrig ansetzt und nur wenig tut. Dann ist man darin vollkommen. Wenn wir unsere Ansprüche hoch setzen und viel machen wollen, können wir nie vollkommen sein. Unser Ziel ist die Selbstverwirklichung. Bis dahin gibt es unglaublich viel zu tun. Es ist also besser, eher viel zu tun und das weniger perfekt. Das macht auch demütig.

Gerade fällt mir auf wie banal und egozentrisch das Wort Selbstverwirklichung heute verwendet wird. Heute nennt es sich schon Selbstverwirklichung, wenn man nur sein Leben halbwegs eigenständig gestaltet. Die Werbung spricht von Selbstverwirklichung in diesem und jenem - es ist einfach nur verrückt, wenn man an die Ursprungsbedeutung denkt, die weit jenseits von Egozentrik liegt.

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