Sonntag, 26. Oktober 2008

Philippe Djian: Die Frühreifen.

Djian überrascht mich jedes Mal auf's Neue. Durch die ständig und rasch wechselnden Erzählstimmen läßt er die Innensicht dreier Generationen lebendig werden und demaskiert damit schonungslos die Unmöglichkeit des richtigen Handelns.

Absolut lesenswert.

Freitag, 24. Oktober 2008

Kreuz und quer / VII.

Das gerade heute die Gründermesse '08 ist, läßt sich als Zeichen interpretieren. Der ursprüngliche Plan hat sich zwar etwas verändert (keine gemeinsame Gründung, sondern 2 Einzelunternehmen), aber es ist nach wie vor die realistischte Zukunftsperspektive. Die Messe selbst war äußerst unbefriedigend. Von den vielen Gesprächen, die Jo und ich geführt haben, gab es nur eins das wirklich neue Informationen gebracht hat. Alle anderen Infos waren derart oberflächlich das selbst ein kurzer Blick auf die entsprechende Webpage schon mehr an Fakten liefert. Was soll so eine Veranstaltung, wenn man auf konkrete Fragen nur Larifari-Antworten erhält und das quer durch die Bank bei allen teilnehmenden Unternehmen? Fachlich völlig durchgefallen.

Das Thema Aussteigen ist auch auf dem Tisch. Entweder hier auf's Land (z.B. ein Hof in der Gegend um Gamlitz) oder eben weit, weit weg. Wenn alles klappt, geht's Ostern mit Jo und Frau G. erstmal auf Urlaub nach Madagaskar. Einerseits um ein bischen Exotik zu schnuppern (endlich mal wirklich weit weg) und andererseits um rauszufinden, ob man sich auch vorstellen kann dort zu leben. Und natürlich auch zum Fotografieren. Ich bin dann mal im Regenwald. Mensch, wenn das klappt - zumindest mal Ostern - das wäre wirklich genial.

Mein Vater ist ein eigenartiger Kerl. Ich habe nie verstanden, warum er mit mir nicht kommunizieren kann. Es ist kein Desinteresse. Er kommentiert als erster kurz nach Mitternacht das neue Bild und schickt um die selbe Zeit noch eine Mail, die aus genauso wenigen Worten wie der Kommentar besteht. Er will, aber er kann nicht. Mischt man zu diesen Genen des Einzelgängers, der einfach nur tut und nicht redet, noch die Gene meiner Mutter, der ständig Plapperenden, der Überängstlichen mit Hang zum Dramatisieren (die aber genauso wenig auf andere Menschen eingehen geschweige denn über Gefühle reden kann), erklärt das viel. Da verwundert es schon eher, daß ich nicht völlig neben der Spur bin.

Vierzig.

Als ich aufwache, grinst mich der kleine Wolf im Schafspelz an und ich muß zurückgrinsen. Sie ist auch so ein Gutmensch, diese Frau da im Norden, die ihn (und anderes) auf den Weg geschickt hat. Diese Geste - das sie daran gedacht hat und so passendes gefunden hat - reißt mich aus meinen trüben Gedanken. Ich bin dankbar für das Gefühl der Wärme, dass sie mir damit schenkt.

Alles wird gut, denke ich und zwinge mich zum Perspektivenwechsel. Camus hat Recht. Vergiss das nicht. Der Stein muß einfach nur wieder den Hügel rauf.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Kreuz und quer / VI.

Gerade habe ich entdeckt, dass Microsoft heute nach über zehn Jahren immer noch ein Produkt verkauft, das ich damals federführend mitentwickelt habe und an dem sich außer dem Namen nichts geändert hat (ehemalige Firma wurde von MS aufgekauft). Der Preis pro Stück liegt nach wie vor in der Region eines gutausgestatteten Kleinwagens, die Fertigungskosten machen davon wohl so um die 20% aus.

Ich muß schmunzeln. So ein altes Baby und immer noch eine Cashcow. Die technischen Details haben sich nicht verändert, das Design wurde maginal modifiziert. Aber das war's dann auch schon.

Warum ist da diese völlige Abneigung mich irgendwie selbst zu vermarkten? Jeden Schritt in diese Richtung meide ich wie die Pest. Sollen andere beurteilen, was entsteht. Ich "leiste" lieber als darüber zu reden.

Montag, 20. Oktober 2008

Dessert.

Das sie im Schlafzimmer ihre Uhr liegen läßt, ist Berechnung. Nach zwei Tagen rufe ich sie an. Sie lädt mich zum Mittagessen bei ihr ein und es passiert, was passieren muß. Sie lockt, unverhohlen, fällt dann über mich her, versucht sich und mich von störenden Kleidern zu entledigen, fleht schließlich, nackt und bebend, der Inbegriff des blonden Biest. Ich gehe weiter als ich gehen wollte, erliege der Versuchung, spiele mit den Wellen, die durch ihren Körper jagen, schenke ihr drei Orgasmen in wenigen Minuten, aber ich schlafe nicht mit ihr. Mir ist nur zu gut bewußt, warum ich auf Abstand gegangen bin. Das hier muß aufhören.

Kreuz und quer / V.

Erste kleine Projektideen (Wien/Linz) keimen. Der Photoblog braucht dringend neues Futter, doch kreativ ist gerade Flaute. Es fehlt der Blick, die Geduld, generell die Ruhe, das Kopfabschalten beim Bilder sammeln und das Kopfabschalten beim Bearbeiten. Kein Flow. Ich denke zu viel. Der Ausknopf klemmt.

Woher kommt eigentlich dieses Unvermögen meine Zukunft zu planen? Zumindest stellt es sich momentan so dar: als Unvermögen. An planerischem Talent generell mangelt es nicht. Ich bin IT-System-Architekt, planen und umsetzen ist mein Job. Doch jede längerfristige Idee verwerfe ich schon nach kurzer Analyse. Ich finde es nicht mal der Mühe wert mich mit einer Option länger als ein Weilchen zu beschäftigen. Keine Perspektive reizt wirklich mehr als die andere.

Warum? Jetzt stehe ich am Tor von Wunderland und bin angewurzelt - orientierungslos trotz unzähliger Wegweiser und meilenweiter Sicht. Alles da, Kleingeld, Zeit, aber wirklich loslaufen - und sei es nur für ein Weilchen - will ich nicht. Wenn schon loslaufen, dann von Anfang an in die "richtige" Richtung. Obwohl eigentlich momentan belanglos, erscheint mir der Faktor Zeit enorm wichtig. Es ist ein Bauchgefühl, immens stark. Die Zeit verrinnt zu schnell.

Da ist auch der Wunsch bzw. vielmehr der Anspruch an mich selbst, nicht nur die nächsten zehn Jahre abgesichert zu haben, sondern auch den Rest. Ich will dieses Thema endgültig vom Tisch. Im unselbständigen Bereich gelingt das in ein paar Jahren höchstens im obersten Managementbereich. Unmöglich. Im Selbständigenbereich bedarf es einer genialen Idee plus Glück plus jeder Menge harter Arbeit - gerade in Gebieten, die mir absolut nicht liegen (z.B. Marketing/PR). Mehr als ein paar wenige Jahre will ich dafür aber auch nicht mehr investieren.

Ich bin skeptisch, ob das so funktioniert. Klar, ich sollte diesen Aspekt nie aus den Augen lassen, doch wozu nicht mal herum laufen? Warum das Gefühl, das mir nicht mehr viel Zeit bleibt?

Sonntag, 19. Oktober 2008

Interessante Gegenden / I.

Madagaskar

Entschluß.

Ich muß wieder konsequent anfangen zu arbeiten. Ganz egal was. Nichtstun ist zwar verlockend (a la "was soll's, bringt doch alles nichts"), doch wenn ich es schon bis hier her geschafft habe, ich mir praktisch mein Leben zurück kaufen kann und immer noch Geld für Projekte da ist, dann stehen bleiben, ist Feigheit vor dem Feind und wird nicht toleriert.

Morgen sollte ich mir den Prix Ars Electronica und ähnliche internationale Contests mal näher ansehen. Der Red Dot Award '08, den Mario gerade abgeräumt hat, macht Lust auf so was.

Ja, ich denke genau das ist es: nicht lange über den größeren Sinn hinter dem Ganzen suchen. Den Masterplan gibt's nicht, nicht bei meinem Naturell. Aber wie heißt's so schön? Leben ist eine Reise, kein Ziel.

Wie oft muß ich noch die gleichen Schlüsse ziehen?

Bock und Gärtner.

Warum Menschen mit Beziehungsproblemen meinen Rat suchen, ist mir ein Rätsel. Das Vertrauen schmeichelt, überhaupt wenn es Menschen sind, die man schon lange nicht mehr gesehen hat, aber Rat? Ich kann zuhören, mitfühlen, auch Mut machen oder sie zum Lachen bringen, aber eins kann ich garantiert nicht: Rat geben.

Macht aber nichts. Z.'s Stimme klang zum Schluß hin viel besser als am Anfang. Ich war überrascht als er anrief. Die Geschichte seiner letzten Monate ist gelinde gesagt beschissen. Die Sache mit seiner Ex, dann wieder nicht Ex und doch wieder, ist mir nur eins: unverständlich. Ihr gemeinsamer Sohn ist arm dran.

Kreuz und quer / IV.

Wie konntest Du mich vorgestern Nacht mit ca. 3 Promille fast 2 Stunden bumsen?

Da war ich dann wohl in der Nacht noch aktiver, als ich mir gedacht habe. Wenn man den anschließenden Vormittag mit ihr dazu nimmt, erklärt das auch, warum ich mich so gerädert fühle.

Ich muß grinsen. Damit kann ich mir auch abschminken, mich als alt zu empfinden. Es ist nur die momentan sehr ungewohnte Beanspruchung der Muskulatur.

So und nun raus, Sonne einfangen.

Kreuz und quer / III.

Schweißgebadet wache ich auf. Es ist noch dunkel, die roten Ziffern zeigen 5:39. Ich weiß nicht was beklemmender ist: die wirren Träume oder die Leere, die nach diesen Träumen kommt. Leere und Kälte - eins der Fenster stand die ganze Nacht offen und mein Körper fühlt sich halb durchgefroren an.

Mit Philippe Djian's "Die Frühreifen" in die Wanne. Ich mag seinen Schreibstil immer noch, doch das Buch ist Gift bei meiner momentanen Laune. Es zeichnet das Bild einer Welt, die nur aus Scheitern und der daraus resultierenden Hoffnungslosigkeit zu bestehen scheint. Hoffnungslose Eltern am Ende ihrer Karrieren, hoffnungslose Kinder, die sich umbringen - ein trauriges Bild.

Stein um Stein räume ich zur Seite, um diesen Weg weiter zu gehen, doch mit jedem Stein wächst die Befürchtung, das hinter all den Steinen schlicht nichts mehr ist, eine Sackgasse und der Weg zurück ist zu weit. Ich bin unschlüssig, ob ich weiter gehen soll. Weiter gehen oder mich wieder in das Räderwerk eingliedern? Mich wieder eingliedern erscheint als der einfachere Weg, aber es wäre auch ein endgültiges Aufgeben. Ich will nicht aufgeben. Wäre doch gelacht.

Doch wo Halt finden außer in mir selbst? Ich brauche einen stabilen Rahmen.

Samstag, 18. Oktober 2008

Späte Erkenntnis.

Ihr Duft in meinen Kissen macht mich unruhig. Schlafende Tiger weckt man besser nicht.

Nichtdenken.

Das mit dem Nichtdenken hat ja perfekt geklappt. Lange habe ich nichts mehr getrunken, aber als unparteiischer Dritter mitten in eine Beziehungskrise zwischen Jo und Frau G. zu geraten, war dann doch zu viel. Zwei Flaschen Nußschnaps später habe ich sie so weit, daß sie ihn nicht gleich rausschmeißt. Danach fehlt jede Erinnerung.

Als ich aufwache, spüre ich Evelyn neben mir. Nackt schmiegt sie sich an mich. Wie, was, warum - ich will es nicht wissen, will gar nichts wissen. Ihr Duft hypnotisiert mich, wie er mich immer hypnotisiert hat. Ich kann nicht anders, ich muß mit ihr schlafen. Auch wenn es falsch ist, wenn es das wohl Dümmste ist, was ich im Moment tun kann, doch wozu jetzt auf einmal vernünftig sein?

Die Stunden verfliegen. Ich kann meine Hände nicht von ihr lassen.

Freitag, 17. Oktober 2008

Selbstkonditionierung.

Eingekauft, gekocht, Wäsche gewaschen, die gröbste Unordnung beseitigt. Positive Selbstkonditionierung per Musik, klappt fast immer, nur vergesse ich es zu oft. Zufriedenheit liegt im Nichtdenken.

Lars und die Frauen.

Leise und skuril. Verwunderlich, das so ein Film aus Amerika kommt.

Kreuz und quer / II.

Das Bild von Kafka's Käfer kommt mir in den Sinn. Aufwachen und feststellen man hat sich verwandelt, ist auf eine skurile Weise erstarrt. Verknöcherte Ernsthaftigkeit läßt mich nicht los. Je mehr ich mich nach Ausgelassenheit sehne, um so weniger gelingt es.

Freitag. Der Tag beginnt in Dunkelheit. Kaum sechs Uhr vorbei und ich bin wach, schmökere ein wenig in Hofstadter's Metamagicum, trinke Kaffee, gieße die neuen Pflanzen im Schrank. Drei Wochen sind sie nun alt und gedeihen prächtig. White Rhino, Blueberry und Sensi Star - eine interessante Mischung - Silvester ist voraussichtlich Schlachttermin.

Was tun mit diesem Tag? Ich fühle mich immer noch ausgebrannt, was mich jedoch bei dem hohen Leistungsniveau der letzten Monate auch nicht wundern darf. Wenn ich meine Grenzen nicht respektiere - und das tue ich praktisch nie - dann gibt's früher oder später die unliebsame Rechnung dafür. Es wird Zeit ein wenig kürzer zu treten.

Wenn das nur so einfach wäre ...

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Gedankensprünge.

Wenn ich meinem Unterbewußtsein den Weg bestimmen lasse, zieht es mich zu den Orten unserer gemeinsam verbrachten Zeit. Selbst jetzt, fast ein Jahr danach, habe ich es noch nicht ganz verdaut. Die Orte ziehen mich magisch an, brechen Vergessenes wieder auf.

Wie groß ist unser eigener Anteil an den Illusionen? Überwiegt nicht das Wunschdenken? Das Glaubenwollen (und es eine Zeit lang auch glauben können)?

Ich möchte es verstehen, möchte das eine passende Erklärungsmodell finden, doch jeder Perspektivenwechsel bringt sein eigenes Modell mit sich. Für jede Aussage gilt auch ihr Gegenteil. Nein, das bringt nichts.

And again and again and again.

Die Tage ertrinken in Motivationslosigkeit. Hier mal wieder Ordnung schaffen? Neue Bücher durcharbeiten? Bilder machen? Wozu - bringt doch alles nichts. Keine Ideen, keine Motivation, Stillstand. Ist das der Preis meiner Rastlosigkeit?

Ich werde mich zwingen aufzustehen. Der Stein muß wieder den Hügel rauf. Nicht denken, tun.

Aber erstmal Espresso, heiß und stark. Dazu ein Film, nichts Anstrengendes, "Burn after Reading" paßt genau. Liegt sowieso schon zu lange auf der Platte rum.

Nachtrag:

Langweiliger Film.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Winter.

Langsam glaube ich, das alles hier hält mich noch viel zu sehr auf. Ich sollte wirklich abhauen. Über den Winter per One-Way-Ticket nach Marokko spukt mir durch den Kopf. Keine Vorplanung. Nur das Ticket. Abenteuer.

Ja, ja, ja. Bitte. Zumindest im Moment erscheint mir die Idee blendend. Bilder und Eindrücke sammeln. Nachdenken und konsequenter schreiben. Kein Fixpunkt mehr und keine Regel. Ich gehe oder bleibe, lebe aus, was es auszuleben gibt.

Es ist ein wunderbar unvernünftiges Geschenk zum runden Geburtstag. Ich bin dann mal weg.

Mist. Was mache ich mit Jo? Ich habe Bauchweh bei der Sache. Er hat einfach noch zu viele Illusionen. Darum glaube ich wohl nicht an eine Chance für unser Projekt. Doch ohne das ich daran glaube, können wir es auch gleich bleiben lassen. Wir müssen umbedingt bald mal darüber reden.

Montag, 13. Oktober 2008

Sinngemäß.

Ich lebte einmal in einem seltsamen Land. Es waren die schönsten Jahre meines Lebens. Ich war jung und ich war verliebt.

- Sonnenallee

Kreuz und quer.

Ich bin nicht nur ein Rabenpate, ich bin auch ein Rabensohn. Die überängstliche, dramatisierende und ständig Belanglosigkeiten plapperende Art meine Mutter ertrage ich nur in sehr kleinen Dosen, also alle paar Monate ein Nachmittag.

Da sie gerade mal wieder in der Stadt ist, um meiner Schwester mit ihren drei Kindern auszuhelfen, und mein Geburtstag ansteht, ließ sie es sich nicht nehmen mit mir auf Shopping-Tour zu gehen.

Keine Ahnung wie es anderen Söhnen mit ihren Müttern geht, aber ich habe es schon als kleines Kind gehasst, von ihr quer durch die Stadt von Geschäft zu Geschäft geschliffen zu werden. Heute hat sich daran eigentlich nichts geändert, außer das sie jetzt im Alter ein wenig ruhiger geworden ist und ich sie nicht schon nach wenigen Minuten einfach nur schütteln möchte - "hallo, Erde an Mam". Nicht nur plappert sie ständig, sie hört auch nicht zu.

Schon nach einer halben Stunde werden wir fündig. Ein netter schwarzer Anzug, dunkelgraues Hemd dazu, passt, raus hier. Nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, erwartet sie nicht, daß ich den Tag mit ihr verbringe.

Irgendwie tut sie mir leid. Sie kann genauso wenig aus ihrer Haut raus wie ich aus meiner und der Tag - blauer Himmel, Sonnenschein - ist wunderschön. Ich kann nicht so hartherzig sein. Ich zeige ihr die Stadt, meine Stadt, die Murinsel, das Kunsthaus, Kaffee-Trinken am Schloßberg im Starke-Häuschen. Die roten Sonnenschirme locken hunderte Marienkäfer an. Die kleinen Käfer scheinen die Sonnenschirme mit Paarungspartner zu verwechseln.

Ich spüre wie ich mit ihr Frieden schließe.

Von Schloßberg spaziere wir runter zur Josefs-Kirche und suchen in den Fensterbildern die Gesichter von Hitler und Mussolini, die der Maler dort versteckt hat. Sie hat auch davon gehört und findet sie als erste, links vom Altar in einer Kreuzungsszene.

Erst als sie weg ist, spüre ich wieviele Blicke ich auf mich ziehe. Kaum eine Frau, die mich nicht anstarrt. Die offenen Haare und der Robinson Crusoe-Bart, weißes Leinen-Hemd und schwarze Jeans, ich wirke wie der Heiland persönlich oder einer seiner Jünger - unangepasst und wild, der Typus Mann, den scheinbar viele Frauen anziehend finden, den sich aber die allerwenigsten ansprechen trauen.

Irgendwie ist das genauso verrückt. Alles, was mir im Weg steht, bin ich selbst. Ich fühle mich einsam und doch müßte ich es nicht sein, wenn ich nur über meinen Schatten springen und auch erste Schritte gehen würde.

Babyschritte zurück ins Leben. Ich weiß nicht wohin. Ich weiß nicht wie ich meine Zukunft gestalten soll. Vielleicht sollte ich reisen. Einfach los, rund um die Welt, bleiben, wo es gefällt, sonst weiterziehen. Doch alleine reisen, ist auch nur Flucht. Ich möchte das, was ich finde, mit jemanden teilen.

Oder doch endlich quer durch Spanien den Jakobsweg in Bildern einfangen. Ich wollte immer schon mal nach Spanien. Oder Irland. Ein paar Monate auf die grüne Insel. Ich realisiere immer noch nicht, das mir praktisch alles offensteht. Entscheiden und tun - mehr braucht's nicht. Anstatt dessen quäle ich mich. Lasse den grauen Wolken soviel Raum, das sie mich viel zu oft an den Abgrund treiben.

Als ich mir im Starcke-Häuschen Zigaretten bestellte, erzählte mir meine Mutter das Fred, der Lebensgefährte ihrer Schwester an Lungenkrebs erkrankt ist. Ein kompletter Lungenflügel ist zerstört und im Gehirn haben sich unzählige kleine Tumore gebildet. Vor kurzem wurde er Fünfzig. Mit Fünfzig darf man anfangen sich auf den Ruhestand in zehn Jahren zu freuen, sagte er. Er wird es nicht erleben.

Fünfzig. Es bestärkt mich in meinem Entschluß mir schon jetzt das eine oder andere Jahr meiner Zeit zu gönnen. Und das nicht nur, weil ich wie ein Schlot rauche.

Scheiße. Ich mag Fred. Er ist einer der wenigen Gutmenschen, die ich kenne. Ein liebenswerter Kerl. Seine Chancen sind praktisch Null.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Mittagessen.

Die Vertrautheit ist noch immer da. Ich spüre aber auch, das da etwas in mir blockiert. Etwas ist anders. Ich fühle mich kastriert. Die sexuelle Spannung, die immer zwischen uns lag, scheint von meiner Seite völlig versiegt. Sie küßt mich, sucht ungeniert meine Nähe auch vor ihren Jungs, doch ich empfinde kein bischen Begehren. Die Nähe tut unheimlich gut, das eindeutige Angebot schmeichelt, aber ich könnte nicht mit ihr schlafen.

Ich fühle mich als Neutrum, weder Fisch noch Fleisch. Die Ausschweifungen mit Eve scheinen tiefe Narben hinterlassen zu haben. Auch jetzt nach fast fünf Monaten Abstinenz scheint es mir nicht möglich mich einer anderen Frau zu nähern.

Das ist genauso verrückt. Ich hasse Eve zwar nicht, aber das sie mich noch immer mit Mails und anzüglichen SMS eindeckt, obwohl ich sehr deutlich gemacht habe, das ich mit ihr nichts mehr zu tun haben will, nervt gewaltig. Sie hat sich völlig in die Idee verrannt, ich wäre ihr Traummann und sie müsse nur hartnäckig genug sein, ganz egal, was ich denke.

Die paar Monate mit Eve waren wohl die extremsten. Noch nie hat mich ein Mensch gleichzeitig so sexuell angezogen und menschlich abgestossen. Nein, so etwas kann ich nicht leben. Nicht mal als Fickbeziehung (was ich - so am Rand bemerkt - auch generell nicht kann). Ich mag Menschen nicht, die bei allem Hintergedanken haben und deren Lebensinhalt das Lästern über andere zu sein scheint. Eve ist das wortwörtliche, blonde Gift. Das Biest, das jedem Mann den Kopf verdrehen kann. Das ich sie ignorieren kann, zeigt eigentlich wie seltsam ich bin (als Mann).

Zerstreut.

Mein Gedächtnis spielt mir Streiche. Donnerstag abend war ich mit Jo und Frau G. im Flan verabredet. Die beiden wollten sich dort zu einer Gruppe (o-Ton) "verrüggden Mädls und Jungs" aus Frau G.'s Schulungsmaßnahme gesellen - durch die Bank gerade mal pubertierende Jugendliche.

Bis vor das Lokal habe ich es geschafft. Doch die Aussicht auf ein paar Stunden in einem berstendvollen Irishpub, dröhnender Musik und Gesprächsfetzen auf "Hey, Oida, geh hörst"-Niveau, war dann doch zu viel. Anstatt dessen lief ich ziellos durch die Stadt und dachte nach. Bewegung glättet die Sprunghaftigkeit meiner Gedanken. Irgendwie kam mir auch Andrea in den Sinn. Ich habe mich ewig lang schon nicht mehr bei ihr gemeldet, obwohl ich doch Pate ihrer beiden Söhne bin. Ich bin ein Rabenpate.

Andrea ist ein Musterbeispiel meines Fluchtmotivs. Irgendwann gehen mir die Lebensumstände andere Menschen, ihre Probleme und Sorgen so an die Nieren, das ich nur mehr durch Flucht reagieren kann. Ich ertrage es nicht hilflos zuschauen zu müssen.

Mein Gedächtnis spielt mir Streiche. Stocknüchtern lief ich durch die Stadt, dachte über Schritte der Resozialisierung und raus aus meinem Einsiedlertum nach. Wie beginnen? Was anders machen? Wo will ich denn wirklich hin? Natürlich dachte ich nicht bis Frage drei. Frage eins und zwei sind ungelöste Dauerbrenner. Zuerst muß ich überhaupt erst mal wieder mit anderen Menschen außer Jo und Frau G. kommunizieren anfangen. Ich muß mich dazu zwingen, anders läuft es nicht.

Grundsätzlich fallen mir da auf Anhieb ein paar Menschen ein, bei denen es längst überfällig ist, daß ich mich mal wieder melde. Andrea ist natürlich auch darunter. Ich habe darüber nachgedacht sie anzurufen, wollte es aber dann erst am nächsten Tag tun.

Als mich ihr Anruf am nächsten Morgen (Freitag) weckt, bin ich verblüfft. Doch noch mehr verblüfft sie mich, als sie mir erzählt, sie hätte meinen Anruf am Abend zwecks stillgeschaltetem Handy überhört. Nun rufe ich also schon stocknüchtern Leute an und kann mich anschließend nicht mehr daran erinnern. Es wird höchste Zeit vieles anderes zu machen. Verrückt ist das.

Wir verabreden uns zum Mittagessen am Samstag bei ihr.

Rückblick / 3.

Die letzten Monate waren aber auch eine emotionale Tiefsee-Fahrt. Wer bin ich und was will ich wirklich? Warum kann ich keinerlei Beziehung bzw. Lebensmodell auf Dauer leben?

Jeder Versuch ist gescheitert und irgendwie läuft auch alles verkehrt herum. Anstatt länger werden meine Beziehungen immer kürzer und heftiger - anstatt abgebrühter zu werden, werde ich subjektiv empfunden immer verletzlicher. Es ist Irrsinn, aber wie dem gegensteuern? Ich hatte noch nie die Schnauze so voll wie heute. Irgendwo muß es doch ein unteres Limit geben.

Mit jedem Scheitern hasse ich mich mehr, ziehe ich mich weiter in mich zurück. Die letzten Monate waren auch eine Flucht vor allem und jedem. Den Sommer habe ich praktisch mit Laptop in meinem Schlafzimmer verbracht. Absolut unwillig vor die Tür zu gehen, mit anderen oder allein mal etwas zu unternehmen.

Die Einsamkeit ist Balsam und Qual. Ich vermisse die Nähe und ich vermisse das hemmungslose Ausleben meiner sexuellen Begierden.

Das ich in der kurzen Zeit auch meine kompletten Hanfbestände (3 große Einmachgläser voll) verbraucht habe, zeigt mir überdeutlich wie "unausgeglichen" ich bin. Ich ertrage das Leben, so wie es momentan ist, nicht. Zu oft und viel zu intensiv brauche ich den "Aus-Knopf". Meine Lern-Erfolge kompensieren in keinster Weise den Mangel an menschlicher Nähe. Um wirklich glücklich zu sein, brauche ich beides: Selbstbestätigung und Wärme.


Rückblick / 2.

Obwohl in den zehn Jahren in der Firma vieles schief gelaufen ist, was schließlich auch zu meinem Handtuchwurf per Selbstkündigung geführt hat: eine gewisse finanzielle Grundsicherung ist nun da. Da mein Lebensstil schon seit jeher ziemlich anspruchslos ist, ich aber über die Jahre immer am Rand der Höchstbemessungsgrundlage verdient habe, hat sich doch genug angesammelt, daß ich ein paar Jahre gedankenlos davon überleben kann. Die Frage ist nun: wohin?

Diese Art von Job möchte ich jedenfalls nicht mehr. Ich will kreativ mehr ausleben können.

Rückblick / 1 .

Die letzten 4,5 Monate waren eine seltsame Mischung aus an meine intellektuellen Leistungsgrenzen gehen und emotionaler Tiefseefahrt. Mehr als man in einem Physik- und Mathematikstudium lernt, habe ich von beiden Fächen nun intus. Nebenbei gönnte ich mir Abstecher in die Stammzellenforschung und die Forensik und natürlich auch ein paar neuere Erkenntnisse aus meiner eigenen Sparte, der Informatik.

Seit ich entdeckt habe, wie einfach ich mir praktisch jedes englischsprache Fachbuch besorgen kann und mir auch meine eigene Zeit komplett zur Verfügung steht, lebe ich meinen Wissensdurst völlig hemmungslos aus. Schnell mal die Proceedings vom letzten Forensiker-Treffen durchackern? Klaro, kostet ja nichts außer meine Zeit und ein, zwei Tage kann ich immer mal opfern, also Nase rein.

Mir war zwar schon immer bewußt wie einfach ich lerne (wo andere Wochen investierten, brauche ich normalerweise einen Tag), aber das ich diese Leistung auch permanent über Monate erbringen kann, das ist mir völlig neu. Die Prüfungstermine an der Uni lagen ja immer soweit auseinander, daß es schlicht nie nötig war, permanent diese Leistung zu erbringen und damals hat mich auch alles andere mehr interessiert als lernen.

Heute ist das anders. Die letzten 10 Jahre kommen mir hinsichtlich Ausleben meines Wissensdrangs als völliger Stillstand vor. Klar, ich habe Praxis angesammelt. Heute traue ich mir zu jegliche Form von Software-Projekt/Produkt umzusetzen (Leitung/Architektur/Kerntechnologie), auch die ganz großen Dinger, wo richtig große Teams daran arbeiten. Ich "beherrsche" mein Fachgebiet, ohne das ich daran die geringsten Zweifel hege (und bei einen ewigen Zweifler wie mir, will das schon was heißen).

Aber für 10 Jahre war das definitiv zu wenig. Meine wirkliche Stärken liegen ja genau dort, große Datenmengen aufnehmen, analysieren und kombinieren zu können (Synergien schaffen) - der Prozeß des Erfindens also. Wenn ich das ausleben darf, bin ich glücklich. Okay, zum Glücklichsein gehört noch ein bischen mehr, aber aus beruflicher Sicht ist es genau das. Ich bin ein Problemlöser, jedoch kein Anwender. Sobald ein Problem gelöst ist, die Musterlösung also existiert, brauche ich ein neues Problem, ein noch ungelöstes. Das gleiche Problem immer wieder zu lösen, ist mir zu langweilig. Ich brauche den kreativen Streß, das gegenseitige Befruchten verschiedenster Fachrichtungen. Das "Heureka, ist das genial"-Gefühl. Und ich muß vor allem in die Probleme ungehindert abtauchen können. Im besten Fall ist das eine Art Trance, das völlige Michverlieren im Hyperfokus.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Selbstmotivation.

Bleiben wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!

- Che Guevara

Ich muß aus dieser Krise raus. Selbstzerstörung ist keine Lösung.

Leise Töne.

Nach anfänglichen Schwächen entpuppt sich der fliegende Händler als einer der Filme, in denen ich mich selbst entdecke.

Ich bin Antoine.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Generationswechsel.

Mit der Welt geht es unaufhaltsam zu Ende, aber dauernd kommen neue Leute nach, die zu dumm sind, um das zu begreifen, und tun so, als finge der Spaß erst richtig an.

- John Updike / Rabbit is Rich