Samstag, 27. Juni 2009

Jetzt.

Wenn ich mein Leben durch die buddhistische Brille betrachte, steht vieles Kopf. Immer mal wieder klickt es, erst leise, dann lauter. Eigentlich bin ich schon weit auf meinem Weg.

Zufriedenheit ist da.

Freitag, 26. Juni 2009

Alternativprogramm.

Nachdem das Wetter nicht wollte wie ich wollte, verliere ich mich nun eben in buddhistischer Literatur. Die Harvard-Vorlesungen des Dalai Lama ("Einführung in den Budhismus"/Herder) haben Lust gemacht, Buddhismus etwas allgemeiner zu untersuchen. Schulen, Geschichte, Unterschiede - Michael von Brück's gleichnamiges Werk ("Einführung in den Buddhismus"/Verlag der Weltreligonen) bietet auf über 500 Seiten einen seriös-nüchternen Überblick. Einiges ist jetzt klarer. Mein Interesse am Quellenstudium ist erwacht. Als nächstes kommen Teile des Pali-Kanons, das Visuddhi-Magga und das Lankavatara-Sutra dran. Die Motivation zu täglicher Praxis ist noch nicht hoch genug. Der eitle Affe in meinem Kopf will erst noch ein wenig beruhigt werden ...

Portia Nelson: Autobiographie in fünf Kapiteln.

1.
Ich gehe die Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gesteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren ... Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder herauszukommen.

2.
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

3.
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich faller immer noch hinein ... aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine eigene Schuld.
Ich komme sofort heraus.

4.
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.

5.
Ich gehe eine andere Straße.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Wohin, wohin.

Gedankenversunken gehe ich auf die Dachterasse. Es dauert ein wenig bis ich mir des dumpfen Brummens bewußt werde, das über dem Innenhof liegt. Das Schlagen von Myriaden von Flügelpaaren erzeugt es. Ein knapp zehn Meter durchmessender Bienenschwarm schwebt direkt vor mir, umschließt mich dann, zieht weiter über das Dach, über die nächste Straße. Die Zeit reicht gerade noch für ein paar Schnappschüsse aus dem gegenüberliegenden Dachflächenfenster. Auf den Bildern ist kaum etwas erkennbar, aber als Erinnerungsmarker reicht es.

In Gedanken höre ich meine Mutter schimpfen. Wie kannst Du nur so leichtsinnig sein und stehen bleiben?, kreischt sie. Fiktive Belehrungen wie diese kommen stets aus dem Off. Ich stehe am Fenster, schaue auf Felder und Hügel hinaus und sie steht zetternd und mit irgendetwas klappernd - Geschirr wahrscheinlich - hinter mir irgendwo im Raum. Sie: hysterisch - ich: ruhig. Weil sie Dir nichts tun, Mam, aber in Deiner Hysterie kannst Du das nicht spüren.

Wenn man nicht in Panik gerät, sondern gelassen bleibt, dann ist diese Wolke quirrligen Lebens ein unglaublich faszinierndes Erlebnis. Es kribbelt auf der Haut, wenn sie mich berühren, doch keine läßt sich nieder, denn der Schwarm wandert. Eigentlich wie ich, denke ich, und muß schmunzeln. Wanderer grüßt Wanderer.

Gestern las ich ein Buch von Abt Muho, eines Deutschen, der in Japan ein abgelegenes Zen-Kloster in den Bergen leitet. Die Einblicke in die Zen-Praxis von Heute waren äußerst interessant.

Auf http://antaiji.dogen-zen.de findet sich übrigens die Homepage seines Klosters. Denkt man sich die Architektur des Tempels anders, könnte es genausogut ein Bergbauernhof hier bei uns sein. Das Buch, obwohl es mit vielen Romantisierungen aufräumt - oder vielleicht gerade deswegen -, hat Lust gemacht so etwas in dieser Art auszuprobieren. Antaiji reizt mich schon allein wegen seiner Größe (nur ganz wenige Bewohner), aber auch wegen der Abgeschiedenheit und der (Land-)Arbeit. Bei einem deutschen Abt fällt auch die Sprachbarriere weg.

Je länger ich den Gedanken, dort Herbst/Winter zu verbringen, festhalte, umso mehr gefällt er mir. Wäre das nicht echt genial? Zuerst mal 100 Tage auf Probe und dann weitersehen. Spricht was dagegen? Nein. Ganz im Gegenteil. Je genauer ich es betrachte, umso mehr positive Seiten entdecke ich. Zurück zur Natur, praktizierter Buddhismus, die Chance japanische Kultur direkt zu erleben und die Sprache zu lernen, das Leben in einer Gemeinschaft, und und und.

Bis Ende Juli, wo ich wegen dem Termin beim AMS wieder in Graz sein muß, darf diese "Schnapsidee" nun erstmal reifen. Heute bin ich jedenfalls davon begeistert. Das vereint viele Punkte von meiner 'Was ich schon immer mal tun wollte'-Liste in einem, ja, heute erscheint es mir geradezu maßgeschneidert.

Montag, 8. Juni 2009

Illusionen.

Wer schreibt? Ich weiß es nicht.

Was hat mich gerade so tief erschüttert? Ich habe den Text von Erich Fromm (Psychoanalyse und Zen-Buddhismus) schon Anfang 2003 gelesen - ja, ja, dachte ich damals, verstanden habe ich scheinbar nichts.

Der Text zeigt schonungslos auf, was mein bewußtes Ich ist. Ganz zwangsläufig erwächst es aus dem, was mich umgibt und aus dem, mit dem ich in Kontakt war. Erziehung liefert Filterparameter, Sprache liefert Filterparameter, Logik liefert Filterparameter. Im Grunde liefert alles, um mich Filterparameter. Manches, denkt man eben nicht (Kulturkreis/Erziehung), manches ist "unlogisch" im Sinne der hier vorherrschenden Logik (ambivalente Gefühle können deswegen so schwer wahrgenommen werden, weil die Logik verbietet, das Liebe und Nicht-Liebe/Hass gleichzeitig Eigenschaft von etwas sind), für manches gibt es keine eigenen Worte oder die Syntax der Sprache beschränkt die Abstraktion.

Dieses bewußtwahrgenommene Ich ist alles mögliche, nur eben nicht Ich, nicht das, was da schlußendlich hört, was mein Innerstes ausmacht. Mit einem Schlag - das tiefe Rauschen meines Blutes weicht erst langsam aus meinen Ohren - erfüllt mich wortloses Verstehen. Wie nichtig sind diesen inneren Kämpfe. Da fechte nicht Ich, sondern da fiecht mein sich seiner Umgebung angepasster Organismus Scheinkämpfe, macht unnötige Drahtseilakte. Das Bewußtsein ist die Illusion. Das Ich versteckt sich wo anders.

Wer bin ich? Ich weiß es nicht. Ich zerreisse die Schleier und weiß, was ich nicht bin, nämlich genau diese Illusion, die hauptsächlich ein riesiges Aktion/Reaktion-Netzwerk ist, ein kulturell- und umgebungsbedingtes Etwas, das Empfindungen zuläßt, verstärkt oder unterdrückt. Mein Ich liegt viel tiefer. Mein Ich ist dieses Bauchgefühl, das weiß ohne bewußt zu wissen.

"Das, was Es war, soll Ich werden." Dieser Satz, diese Devise, die Fromm Freud zuschreibt, bringt die Idee des Zen-Buddhismus auf den Punkt. Forsche in Dir nach dem, was da hört, was da sieht, was da isst, was da schläft. Der ich bisher glaubte zu sein, bin ich nicht. Wer bin ich?

Warum hat mich diese Erkenntnis gerade so erschüttert? Fromms Analyse ist brilliant, keine Frage, aber brilliant ist sie mir sicherlich schon damals vor ein paar Jahren erschienen. Warum kann es mich jetzt so durch und durch überzeugen, ja geradezu umhauen, gleichzeitig das Traurigste und Freudigste sein seit langen Monaten? Für einen Moment war ein Erkennen da, ein schreckliches Realisieren wieviel Zeit und Energie ich schon verschwendet habe, wie sinnlos das doch alles war.

Ebenso: wie lächerlich komisch ist das alles. Das stolze Ich mit seiner ach-so-großen Freiheit. Jegliches Abstrahieren, alles Kategorisieren, alle Logik - Illusionen und Täuschungen, Automatismen. Wärme durchströmt mich. Wie lächerlich komisch, wenn man die Perspektive wechselt, wie lächerlich komisch ist das alles. Aufgeblasen stolziert das Ich herum und glaubt von sich es sei der Wesenskern. Wie lächerlich komisch.

Ich fühle mich freier. Erst jetzt erahne ich langsam wie durch und durch abhängig, illusionär und im Grunde starren Regeln folgend mein bewußtes Denken wirklich ist. Alles, was nicht zu den Filtern passt, gelangt erst gar nicht ins Wach-Bewußtsein, aber es ist nichtsdestotrotz unverleugnungsbar da, hat mehr reale Existenz als jeder aus Kategorien entstandener, bewußter Gedanke.

Ha, ha, ha.

Sonntag, 7. Juni 2009

Philip Kapleau: Die drei Pfeiler des Zen

Wenn ein Buch in der fünfzehnten (deutschen) Auflage erscheint, muß etwas dran sein. Eigentlich für die am nächsten Wochenende startende Reise gedacht, wollte es nach dem ersten Reinschmökern am Freitag nicht mehr aus der Hand. Resümee: Wow!

Obwohl ich schon einige Bücher zu diesem Thema gelesen habe, verstehe ich erst jetzt wie Zen-Buddhismus in der Praxis funktioniert. Die meisten anderen Bücher theoretisieren viel zu sehr oder reinterpretieren, dabei ist praktizierter Zen-Buddhismus keine Frage der Theorie, sondern der Selbsterfahrung. Durch die Einzelgespräche (Dokusan) von 10 Schülern mit ihrem Meister erhält man tiefen Einblick in die Probleme und Problemchen, die sich in der realen Praxis ergeben und wie damit umgegangen wird. Die detailierten Selbsterfahrungsberichte von unterschiedlichen Charakteren im Anschluß beantworten zusätzlich viele "wie genau"-Fragen aus der Innensicht des Praktizierenden. Wie genau mache ich das? Welcher Weg hat schließlich zum Ziel, der Selbstwesensschau (Satori), geführt?

Auf der Reise werde ich mir Zeit nehmen, Zazen zu üben. Wenn es überhaupt irgendwo eine Antwort gibt, dann findet sie sich dort in mir.