Donnerstag, 30. April 2009

Verfügbarkeitsheuristik.

Heuristiken sind Strategien ("Faustregeln"), die die Beurteilung von Sachverhalten erleichtern und beschleunigen sollen. Unter einer Verfügbarkeitsheuristik versteht man jene Strategie, Informationen an Hand ihrer Verfügbarkeit für eine Entscheidung heranzuziehen. Präzisere Informationen sind im Regelfall schwerer verfügbar und werden daher seltener als Entscheidungshilfe herangezogen.

verwandte Themen: Vorurteile, Schlagzeilengläubigkeit, Aberglauben, Gerüchte etc.pp.

Mittwoch, 29. April 2009

Fragen über Fragen.

Vogelgrippe, Schweinegrippe - schön langsam keimt der Verdacht auf, daß das alljährlich wiederkehrende Pandemie-Getös auch bloß rüde Geldmacherei ist. Gestern waren es noch 100 Todesopfer, heute sind es nur mehr 7. Gibt es am amerikanischen Kontinent so etwas wie eine Pisa-Studie? Wenn ja: wie schnitt Mexiko dabei ab? Wer verkündet und wer prüft solche Zahlen? Vermehren sich Zahlen in Medien von selbst?

Der Krankheitsverlauf der Schweinegrippe ist nun also auch nicht viel anderes als bei einer "normalen" saisonalen Grippe, die Jahr für Jahr weltweit Tausende hinwegrafft. Der kleine Junge, von dem angeblich die "Pandemie" ausging, grinst irgendwo auf einem Hinterhof fröhlich in die Kamera. Das Getös und die Panikmache in den Medien geht weiter. Die Pharmakonzerne, Mundschutzhersteller und Medieninhaber freut's. Die Innenminister ebenso. Endlich mal etwas, was das Volk von seiner aufkeimenden sozialen und wirtschaftlichen Unzufriedenheit ablenkt.

Gleich nach den Nachrichten trällert Louis Armstrong "what a wonderful world". Wie recht er doch hat, sagt mein Freund Harvey.

Apropos.

Und wo ich gerade bei Gutmütigkeit bin: Jo fand nun ein ganzes Jahr lang keine Zeit für ein egal wie kleines, gemeinsames Projekt. Da schwärmt er mir über fünf Jahre die Ohren voll, wie toll es nicht wäre und das man doch umbedingt etwas zu einer Opensource-Community beitragen müsse und dann? Das er es nicht neben einem Fulltime-Job macht, okay, so viel Idealismus bringen nur ganz wenige auf, aber das er auch nur einer der "üblichen Maulhelden" ist, will mir nicht in den Kopf.

Noch weniger will mir in den Kopf, daß ich mich nach wie vor von Menschen so blenden lasse. Soll doch jeder machen wie und was er will, aber warum fast pausenlos von etwas schwärmen (ganz ernsthaft und voller Überzeugung) und dann nicht mal die kleinsten Schritte tun? Diese Art - sich selbst und auch allen anderen etwas vorzumachen - ist mir unbegreiflich.

Ein längeres Gespräch mit Frau G. zeigt noch ganz andere Seiten von ihm auf. Sie arbeitet Fulltime, macht den ganzen Haushalt, trägt die Hauptlast bei den gerade notwendigen Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung. Nie käme er auf die Idee in der Zeit, in der sie außer Haus ist, auch nur einen Handgriff zu tun. Wenn sie da ist, drückt er sich, wo er kann.

Jetzt, im Nachhinein, bestätigt sich mein schlechtes Baugefühl bezüglich gemeinsamer Firma. Es wäre ein Disaster geworden.

Erlösung.

Erlösung setzt den Sündenfall voraus.

Mein Sündenfall heißt Gutmütigkeit. Nach drei Tagen einseitigem SMS/Mail/Telefon- und Kommentar-Terror, zu dem ich weder Anlaß noch Beitrag geleistet habe, ziehe ich den endgültigen Schlußstrich. Wie kann man nur alles und jeden derartig in den Schmutz ziehen? Jede nette Geste verwandelt sich in ihrem Kopf in Dreck. Die Einblicke in ihr Denken - ihre maßlose Überschätzung der eigenen Grandiosität - sind gleichzeitig er- und abschreckend wie auch bemitleidenswert.

Es fühlt sich nach Erlösung an, als würde ich aus einer Wolke negativer Energien wieder in die Sonne hinaustreten. Vielleicht liebe ich das Leben noch nicht so wie ich es lieben sollte, aber eins weiß ich: diese Form von emotionalem Streß ist völlig unnötig, lächerlich, Zeit- und Energieverschwendung. Es gibt keinerlei Grund sich dem auszusetzen, auch wenn man es noch so gut mit dem anderen meint.

Künstlich Probleme schaffen, wo keine sind; einen anderen gegen seinen Willen zu einem bestimmten Handeln zwingen wollen - danke, nein.

Obwohl die Bilder der letzten drei Tage schon vor knapp zwei Wochen entstanden sind, passen sie wie die Faust auf's Auge (oder weniger "fein": wie der Arsch auf's Leintuch). Der tote Schmetterling ist ein würdiger Abschluß. Wiederbelebung zwecklos.

Montag, 27. April 2009

Querbeet.

Der Mensch ist das einzige (bekannte) Wesen, das lachen kann.

Ein Tag und eine Nacht im unruhigen Halbschlaf hat die Grippeviren besiegt. Heute ist nichts mehr davon zu spüren, nur der Kopf ist noch voll mit der Erinnerung an unwahrscheinlich viele, seltsame Träume.

Das Verhältnis zu E. beginnt langsam wieder mich Schritt für Schritt zu belasten. Sie steckt voller bösartiger Gedanken, kritisiert unablässig andere Menschen (was ich noch nie austehen konnte) und rechtfertigt es, wenn ich sie darauf anspreche, es zumindest in meiner Gegenwart zu unterlassen, indem sie ihr eigenes Verhalten auf alle anderen projiziert. Es liegt nicht in meiner Natur nur Liebhaber zu sein, doch noch weniger ertrage ich diese oberflächlichen Tiraden, dieses Abqualifizieren von Menschen, nur weil sie eben ein wenig anders sind als andere. Bei Menschen wie ihr bleibt immer das schlechte Bauchgefühl zurück, daß sie genauso über einen selbst reden und urteilen, wenn man außer Hörweite ist. Bei nichts, was sie sagt, kann man sich sicher sein, daß sie es auch so meint, so darüber denkt. Dieses Gefühl schließt jede weitere Annäherung aus. Ich will ihr Gift nicht in meinem Kopf, geschweige denn in meinem Herzen. Ich will solche unechten Menschen nicht in meinem Leben.

Herrgott - ich vermisse die Liebe, vermisse einen Menschen, den ich durch und durch lieben kann.

Samstag, 25. April 2009

Kindergeburtstag.

Jetzt im Nachhinein bin ich überrascht wie sehr ich den heutigen Tag mit meinen Eltern und der Familie meiner Schwester genossen haben. Yara, die Kleinste meiner Schwester, sucht ständig meine Nähe, fällt mir um den Hals, brabbelt in ihrer noch unverständlichen Babysprache begeistert vor sich hin, zeigt mir ihre kleine Welt. Ich habe die Kleine selten so viel lachen gesehen wie heute. Für ihr Alter ist sie sonst viel zu ernsthaft, beobachtet alles still mit großen traurigen Augen. Sie lachen zu sehen - dieses helle, unschuldige Kinderlachen - ist wunderbar.

Jon Krakauer: In die Wildnis

Jon Krakauer beschreibt in diesem Buch das Leben und Sterben von Christopher McCandless, einem jungen Abenteurer, der sich im Jahr 1992 in die Wildnis Alaskas aufmachte, wo er nach einigen Monaten, in denen er sich nur von dem, was die Natur her gab, ernährt hatte, schließlich den Hungertod fand.

Während des Lesens fühle ich mich ständig an mein eigenes Leben erinnert. Damals, Anfang der Neunziger war ich kurz davor einen ähnlichen Weg einzuschlagen, doch ich war nicht konsequent genug. So tragisch seine Geschichte auch endet (schlußendlich war es sein jugendlicher Leichtsinn, der ihm das Leben kostete) - ich denke, Chris fand da draußen genau das, was er suchte.

Donnerstag, 23. April 2009

Sehnsucht.

Heute, sagte er, müßten die Menschen mehr denn je lernen, ohne Dinge zu leben. Dinge erfüllten die Menschen mit Furcht: je mehr Dinge, sie besaßen, um so mehr hatten sie zu fürchten. Dinge neigten dazu, sich an die Seele zu heften und der Seele dann zu befehlen, was sie tun solle.

aus: Bruce Chatwin / Traumpfade

Blind laufe ich durch das Leben. Ich spüre die Sehnsucht, lebe sie in Grenzerfahrungen aus, ohne zu verstehen, daß jedem Zuviel zwangsläufig der Entzug folgt. Kein Organismus erträgt Überaktivierung lange. Er passt sich an und gewöhnt sich an das hohe Erregungspotential. Was ich als depressiv empfinde, ist der Rückfall in die Normalität. Es ist der Preis, den es zu zahlen gilt, den ich zwangsläufig zahlen muß, wenn ich so weiter lebe.

Das Leben in den Städten, unser modernes Leben, kommt mir immer hohler vor. Im Kopf habe ich mich schon weit davon entfernt, was noch fehlt ist die Realisierung. Ähnlich einem, der vor der Entscheidung steht ins Kloster zu gehen, hadere ich mit mir, ob es richtig ist, ob ich mich nicht irre. Klar, es gibt Kompromisse. Ich könnte alles hier so belassen wie es ist, weiter Miete zahlen und nur mich selbst aus dem Bild entfernen, doch es würde nicht das Gleiche sein. Es wäre keine Entscheidung, keine Änderung, sondern nur eine Art Auszeit, zu wenig ernsthaft, schlicht ein weiterer fauler Kompromiss.

Die zweimonatige Reise sollte Klarheit schaffen. Ich hoffe, daß ich mich bis August zu einer Entscheidung durchringen kann.

Dienstag, 21. April 2009

Gnadengesuch.

Es ist leichter, als man glaubt, sich zu hassen; die Gnade besteht darin, sich zu vergessen.

- Georges Bernanos / Tagebuch eines Landpfarrers

Über Toleranz.

Toleranz besteht nicht darin, daß man die Ansichten eines anderen teilt, sondern nur darin, daß man dem anderen das Recht einräumt, überhaupt anderer Ansicht zu sein. Andererseits wird Toleranz aber auch dann mißverstanden, wenn man so weit geht, daß man dem anderen auch noch das Recht zugesteht, selber und seinerseits intolerant zu sein.

- Viktor E. Frankl

Montag, 20. April 2009

Münchhausen.

Alles geht vor die Hunde, zerbröckelt, zerfällt. Hilflos stehe ich daneben und kann nur zusehen, kann nichts tun, kann den Verfall nicht aufhalten. Du müßtest doch nur, denke ich, aber denken hilft nichts gegen die gefühlte Ohnmacht. Mit jedem Tag, jeder Woche, jedem Monat fällt es schwerer, mich selbst am Schopf packen und aus dem Dreck zu ziehen. Die Frage "Wozu?" ist kein Damokles-Schwert, keine Drohung, es ist das Henkersbeil für jeden Plan. Ich will nichts, ich brauche nichts, warum sich also für irgendetwas anstrengen, warum nach irgendetwas streben?

Objektiv betrachtet gibt es keinerlei Anlaß für Sorgen, doch Gefühle fragen nicht nach Gründen.

Warum kann ich aus mir heraus keine (langfristigen) Pläne entwickeln? Wie kann ein Mensch so bedürfnislos sein? Da ist kein Hunger. Kein Drang nach Erfolg, nach Reichtum, nach Besitz. Selbst das Bedürfnis anderen zu helfen, ist über die Jahre geschwunden, selbst darin finde ich keinen Sinn mehr.

Samstag, 18. April 2009

...

... hach ...

Freitag, 17. April 2009

Always Look On The Bright Side Of Life.

Ich ertappe mich dabei wie ich fröhlich vor mich hin pfeifend langsam durch die Straßen schlendere. Die Sonne scheint, ich bin Herr über mich selbst, kann tun und lassen wonach mir der Sinn steht. Das die Zerrung immer noch bei jedem Schritt schmerzt, nehme ich kaum wahr.

Wie krank unsere Gesellschaft heute doch in ihrer Fixierung auf Leistung ist. Von Kindesbeinen an bekommt man es eingebleut, internalisiert es über Jahrzehnte. Leistung, Leistung, Leistung - als gäbe es nichts anderes mehr, das zählt. Die Menschen hetzen durch ihre Leben, Ausbildung, Karriere, immer weiter, vorwärts, keine Zeit, wie Dagobert Duck die Dollarzeichen in den Augen. Überall huldigt man dem goldenen Kalb, ja, man ist geradezu gezwungen es selbst zu huldigen, denn heute läßt sich kaum noch ein Schritt tun ohne dafür zu bezahlen. Irgendwer steht immer da und hält die Hand auf und die Preise für die rudimentärsten Dinge steigen pausenlos. Der moderne Mensch ist Sklave und merkt es nicht einmal.

Je klarer der Blick wird - und es braucht Zeit, viel Zeit -, um so mehr wird mir bewußt, daß ich in diese Art Leben nie mehr zurückkehren will. Lieber tot, als mich auch nur einen einzigen Tag lang weiter so instrumentalisieren zu lassen. Je klarer der Blick wird, um so mehr vernebelt sich die Zukunft und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fühle ich mich freier als jemals zuvor in meinem Leben.

Ich schlendere durch die Straßen, schwarze Wolken ziehen auf, für wenige Minuten hagelt es, dann strahlt wieder die Sonne. Die Schuld, die ich spüre, ist nicht meine. Wie könnte sie auch? Ich habe niemals "ja" zu diesem Wertesystem gesagt, das alles Menschliche negiert, diesem Teufelskreislauf aus sinnfreiem Konsum und nicht minder sinnfreiem Schuften. Trotzdem spüre ich die Schuld auf meinen Schultern, die Schuld in meinem Herzen.

Novalis schreibt, daß es kein Zurück zur Naivität gibt, daß die Leiter auf der wir emporgestiegen sind, umgefallen ist. Wenn die Haare noch ein Stück wachsen, brauche ich keine Leiter für den Rückweg.

Die Sehnsucht nach dem einfachen Leben wird immer größer. Was vor Jahren, ja sogar noch vor Monaten undenkbar für mich war - das alles hinter mir zu lassen -, zeichnet sich langsam aber sicher als einzige Option ab. Nicht nur "scheiß drauf" denken, nicht nur hin und wieder "scheiß drauf" leben, nein, wirklich einen Schlußstrich unter die ach so rationalen Kompromisse ziehen. Schließlich nützt es niemanden, wenn ich mich in diese Konformität zwinge.

Diese Nacht gehört ihr. Ich kämpfe nicht mehr dagegen an, verbiete mir nicht mehr dieses bischen Intimität zu leben, obwohl ich sie nicht liebe. Richtig oder falsch ist sowieso nur eine Frage der Perspektive. Weder sind Lügen im Spiel, noch bin ich ihr gegenüber unaufrichtig. Seit über zwei Jahren verbinden uns nun diese Nächte - und zumindest von meiner Seite aus exklusiv, denn es gibt und gab in der ganzen Zeit keine andere Frau in meinem Leben.

Über das Glück.

Je mehr es dem Menschen um Lust geht, um so mehr vergeht sie ihm auch schon. Je mehr er nach Glück jagt, um so mehr verjagt er es auch schon. Um dies zu verstehen, brauchen wir nur das Vorurteil zu überwinden, daß der Mensch im Grunde darauf aus sei, glücklich zu sein; was er in Wirklichkeit will, ist nämlich, einen Grund dazu zu haben. Und hat er einmal einen Grund dazu dann stellt sich das Glücksgefühl von selbst ein. In dem Maße hingegen, in dem er das Glücksgefühl direkt anpeilt, verliert er den Grund, den er dazu haben mag, aus den Augen, und das Glücksgefühl selbst sackt in sich zusammen. Mit anderen Worten, Glück muß erfolgen und kann nicht erzielt werden.

- Viktor Frankl

Donnerstag, 16. April 2009

Auszeit.

Ein Gedanke von Viktor Frankl geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Er schreibt, daß es nicht möglich ist, glücklich sein zu wollen, denn Glück ist nur ein Symptom. Was der Mensch wirklich braucht, ist ein Grund um glücklich zu sein. Ist der Grund vorhanden, stellt sich Glück ganz von allein ein.

Die unfreiwillige Auszeit beschert mir eine Wiederbegegnung mit Michael Ende's wohl ungewöhnlichstem Buch 'Der Spiegel im Spiegel'. Absurd, tiefgründig, kafkaesk sind die ersten Attribute, die mir spontan dazu einfallen. In dreißig Geschichten meditiert der Autor über die großen Themen des Menschseins, der Gesellschaft, über die Welt. Einfach wundervoll (und irgendwie so ganz anders als seine anderen Bücher).

Zwischen den Geschichten lege ich kleine Arbeitspausen ein. Waschen, einkaufen, kochen, Ordnung schaffen. Viel Liegengebliebenes wird erledigt. Das eine und andere Glas Campari-Orange gibt's als Belohnung - und natürlich die nächste Geschichte.

Auf meinen Wanderungen erinnerte ich mich, daß ich doch einen Kindheitstraum - bezüglich was ich einmal machen möchte - hatte. Mein Traum war es irgendwann einmal in den Wäldern weit ab der Zivilisation zu leben.

Kanada, Alaska, vielleicht Kamtschatka. Warum eigentlich nicht?

Wenn ich durch die kleinen Dörfer komme, bin ich immer wieder überrascht, um wieviel menschlicher sich Menschen dort begegnen. Es ist völlig selbstverständlich, daß man sich zumindest freundlich grüßt, egal ob nun Fremder oder Bekannter - ein paar Worte, ein Lächeln. Ich fühle mich an meine Kindheit erinnert, an meine Erziehung. Manchmal ist man sich nicht bewußt, das man etwas vermisst.

Mittwoch, 15. April 2009

Marathon.

Mit dem Bike ist die Distanz von knapp über 42 Kilometer nicht viel. Bis vor ein paar Jahren fuhr ich das nach der Arbeit fast täglich zur Entspannung. Doch zu Fuß und dann noch laufen? Heute bin ich die Distanz gegangen - 42,3 Kilometer in 7,5 Stunden Gehzeit (8,5 Stunden gesamt). Die ersten 5 Stunden Nonstop, dann waren immer häufiger Pausen notwendig. Die abschließenden drei Stockwerke hoch in meine Wohnung kamen mir noch nie so lange vor.

In diesem Leben werden ich solche Strecken garantiert nie laufen. Versprochen liebe Füße.

Ruhe im Kopf. Das tägliche, stundenlange Gehen bewährt sich.

Nachtrag:

Es ist schon lange her, daß ich 12 Stunden am Stück geschlafen habe. Normalerweise komme ich kaum auf die Hälfte. Mit dem Training werde ich heute pausieren. Die Muskeln sind zwar okay, aber die Sehnen in der rechten Kniekehle sind gezerrt und schmerzen bei jedem Schritt.

Montag, 13. April 2009

Über Bücher.

Der Lesehunger der Jugend ist bekannt. Instinktiv weiß sie um die Kraftquellen, die ihr da zur Verfügung stehen. Wie anders ließe sich erklären, was sich einmal - vor Jahrzehnten - im Lager Theresienstadt ereignet hat. Ein Transport mit an die tausend jungen Menschen mußte zusammengestellt werden, und am nächsten Morgen ging es ins Lager Ausschwitz. Am selben Morgen aber mußte festgestellt werden, daß in der Nacht in die Lagerbücherei eingebrochen worden war. Jeder einzelne von den Todgeweihten hatte sich Werke seiner Lieblingsdichter, aber auch wissenschaftliche Bücher in den Rucksack gestopft. Als Reiseproviant auf der Fahrt ins (zum Glück noch) Unbekannte. Und jetzt soll mir jemand noch kommen und sagen: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral".

- Viktor E. Frankl

Zeitlos aktuell.

Welchem Beruf immer ein hoffnungsvoller, junger Mensch sich zuwendet, er wird in Vorbereitung zum Beruf so viel lernen und später bei seiner Ausübung so viel arbeiten müssen, daß er einfach keine Zeit hat, über andere Wissensgebiete auch nur einigermaßen orientiert zu bleiben. Er hat nicht einmal genug Zeit, um "zu sich zu kommen", zu reflektieren. Die Reflexion aber ist eine konstitutive Eigenschaft des Menschen, sie ist ein Menschenrecht, und die in Rede stehende Entwicklung unserer Kultur, bedeutet einen Verlust an Menschlichkeit. Ganz sicher ist es das Gefühl für diesen Verlust, das so vielen jungen Menschen das Leben sinnlos erscheinen läßt. Dieses Sinnlosigkeitsgefühl ist, wie Viktor Frankl sagt, charakteristisch für eine Massenneurose, die heute unsere westliche Kultur ergriffen hat.

(...)

Ein echter Massenwahn der heutigen Menschheit besteht in dem Irrglauben, es habe nur dasjenige reale Existenz, was sich in der Sprache der exakten Naturwissenschaften ausdrücken und quantifizierend beweisen läßt. Damit wird die ganze Welt der Emotionen, werden menschliche Würde und Freiheit, kurzum alles, was einen wirklichen Wert darstellt, für Illusion erklärt. Zu diesem Irrglauben trägt der Umstand bei, daß für jeden Menschen nur das wirklich erscheint, womit er täglich umgeht, worauf er wirkt und was auf ihn zurückwirkt. Dies aber ist für die Mächtigen und Verantwortlichen dieser Welt, die man unter dem Modewort der "Lobbies" zusammenfassen kann, ausschließlich das Geld. Mit ihm lassen sich außerdem wunderschöne mathematische Operationen vornehmen.

Paradoxerweise halten sich diese Geldmenschen für Realisten und wollen nicht verstehen, daß ein exponentielles Wachstum der Wirtschaft im endlichen Rahmen unseres Planeten zur Katastrophe führen muß. Den Ökologen, der ihnen vorrechnet, wie bald diese Katastrophe zu erwarten ist, halten sie merkwürdigerweise für einen Träumer, der sich in nostalgischen Illusionen nach grünen Wäldern und singenden Vögeln sehnt. Das man nur das essen kann, was die Photosynthese in diesen grünen Pflanzen erzeugt, begreifen sie nicht und die Sage von König Midas macht ebensowenig Eindruck auf sie wie die Aussage des alten wienerischen Sprichwortes, daß man goldene Nockerl nicht fressen kann.

- Konrad Lorenz, 1979 (Vorwort zu: Viktor E. Frankl - Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn)

Erinnerung.

Es berührt mich seltsam, wenn dieser schweigsame Mann (mein Vater) ein Kompliment unter eins meiner Bilder setzt. Als Kind schien er nur Fehler an mir wahrzunehmen. Egal, was ich auch machte, egal wie sehr ich mich angestrengte, er kommunizierte nicht mit mir, außer als strafende Exekutive meiner Mutter ("sag Du doch auch mal was"), wobei er dann meist nur ihre Worte wiederholte oder tätlich wurde.

Hysterische Mutter, schweigend strafender Vater - eine klassische Kombination. Ringsum - hinter der Wand oder einen Stock höher in der Wohnung meiner Tante - erblühte die Kultur und das neue Lebensgefühl der 68er. Innerhalb unserer vier Wände fand sich davon nichts.

Sonntag, 12. April 2009

Resümieren / II.

Die Texte von Norman Fischer, Irvin Yalom, Alice Miller, Victor Frankl, J.P. Satre und Epikur, die ich in der letzten Zeit gelesen habe, arbeiten in meinem Unterbewußtsein. Gerade habe ich noch bedauert, mich an keine Träume zu erinnern, brechen die Bilder auf mich ein. Ich fühle mich so verdammt hilflos, zweifle daran, ob meine Kraft für diese Gradwanderung reicht, zweifle, ob dieser Weg überhaupt sinnvoll ist, aber es ist der einzige Weg, der Hoffnung verspricht.

Und ich will hoffen, will die Dramen und Enttäuschungen endlich hinter mir lassen.

Mittwoch, 8. April 2009

Resümieren.

Nachdem ich mich nun fast zwei Wochen intensiv mit dem Thema der letzten Dinge (Tod, Isolation, Freiheit und Sinn) beschäftigt habe - auf den Wanderungen läßt sich auch wunderbar darüber nachdenken -, fühle ich mich seltsam ruhig. Die Getriebenheit des letzten Jahres ist verschwunden - ich bin gleichzeitig desillusioniert als auch beruhigt.

Dienstag, 7. April 2009

Trockentraining.

Als Vorbereitung auf die Tour nach Amsterdam habe ich angefangen täglich ein paar Stunden zu gehen. Momentan sind es 15 Kilometer pro Tag, in den nächsten Wochen werde ich es auf 30 Kilometer steigern.

Unterwegs mäandern meine Gedanken durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Obwohl sich dabei viele dunkle Gedanken einschleichen, hat das in Bewegung sein etwas Tröstliches. Der Schmerz läßt sich leichter ertragen, ich verdränge nicht sofort wieder, sondern lasse ihn zu, analysiere die widerstreitenden Motive.

Die Bitterkeit bei manchen Gedanken (gerade in Zusammenhang mit V. und ihrem Sohn, der meiner hätte sein können) verfliegt nicht, nur weil ich weiß, daß meine Entscheidungen richtig waren. Im Gegenteil: ich fühle mich schuldig, obwohl rational keinerlei Grund dafür vorhanden ist.

Sonntag, 5. April 2009

Über Schuld.

Der beste Weg - vielleicht der einzige Weg -, mit Schuld umzugehen - Schuld an der Verletzung eines anderen oder seiner selbst - ist Buße. Man kann nicht rückwärts gehen wollen. Man kann für die Vergangenheit nur büßen, indem man die Zukunft verändert.

- Irvin D. Yalom

Über Kreuzungen.

Einige Menschen können unbesorgt weitergehen, indem sie blind voranschreiten und glauben, daß sie auf der Hauptstraße gereist sind und daß alle Kreuzungen nur auf Seitenstraßen getroffen sind. Aber mit Bewußtheit und Vorstellungskraft voranzuschreiten heißt, von der Erinnerung an Kreuzungen berührt zu sein, denen man niemals mehr begegnen wird. Einige Menschen sitzen auf den Kreuzungen, schlagen keinen Weg ein, weil sie nicht beide nehmen können und hegen die Illusion, daß sich, wenn sie dort lange genug sitzen, die beiden Wege auflösen und zu einem werden, und daher beide möglich sind. Ein großer Teil der Reife und des Mutes besteht in der Fähigkeit, solche Verzichte zu leisten, und ein großer Teil der Weisheit ist die Fähigkeit, Möglichkeiten zu finden, die es uns erlauben, auf so wenig wie möglich zu verzichten.

- A. Wheelis: Will and Psychoanalysis

Über das Entscheiden: verlorene Alternativen.

Das größte Übel ist, das die Zeit ständig vergeht, und wirklich zu sein bedeutet auch Eliminierung.

- John Gardner / Grendel

Verantwortung.

Erst wer für das, was er ist, ebenso die Verantwortung übernimmt wie für das, was er werden will, kann die Kraft (und die Hoffnung) leben, die notwendig für den Veränderungsprozess ist.

- frei nach Irvin D. Yalom

Irvin D. Yalom: Existenzielle Psychotherapie / III.

Die zweite Hälfte begeistert sowohl in seiner Übersichtlichkeit, also auch in seinem Praxisbezug. Irvin beschreibt nicht nur seinen Ansatz, sondern präsentiert auch einen breiten Überblick konkurrierender Ansätze inklusive seiner Kritik an ihnen.

Was ich bei Camus, Satre und Heidegger vermisst habe, finde ich hier - und vor allem: es ist auf den Punkt gebracht. So wünschenswert Exaktheit in der Ausdrucksweise oft ist, die meisten Geisteswissenschaftler übertreiben damit und verstellen dem Leser so die Sicht auf die (leider oftmals banale) Quintessenz.

Prädikat: Höchst lesenswert.