Freitag, 25. Juni 2010

Wer Ohren hat, der höre.

Wahrhaftig, fliehst du nicht zuerst dich selbst, wohin du sonst fliehen magst, da wirst du Hindernis und Unfrieden finden, wo immer es auch sei.

(...)

Richte dein Augenmerk auf dich selbst, und wo du dich findest, da laß von dir ab; das ist das Allerbeste.


- Meister Eckehart / Reden der Unterweisung


Donnerstag, 24. Juni 2010

Die Sache mit dem Stammhalter.

Was bei den vier Evangelien interessant ist: zwei von ihnen bemühen sich als Einleitung den Stammbaum Jesu (väterlicherseits!) aufzustellen, um nachzuweisen, das die Prophezeihungen des AT bezüglich seiner Abstammung erfüllt sind. Blöd nur, wenn man die unbefleckte Empfängnis, die für die Geschichte gar nicht notwendig ist, hinzuschummelt. Da historisch, die Abstammung nur männlicherseits "wichtig" ist, klafft durch die unbefleckte Empfängnis nun ein Loch. Nix mehr, mit verwandt mit David oder so, sondern ein halbgöttliches Findelkind (oder - so wer will: Kukucksei) wie so viele andere in den Geschichten der griechischen Mythologie.

Schöner Patzer.

Ohne der göttliche Abkunft finde ich die Geschichte des Nazareners übrigens schöner. Es reicht doch völlig, das er wie viele vor ihm (Moses, David etc.pp.) seine einzigartige Mission irgendwann im Laufe seines Lebens erkannt hat und sich dem Geist Gottes als Werkzeug zur Verfügung stellte. Der Halbgottfall riecht nach Schummelei: wer weiß schon, was für Sonderhilfe in der halben Gottes-DNA steckte? Nein, die 'Ich war einer von Euch'-Geschichte schreit geradezu nach "Standard-Hardware", um erst gar keinen Zweifel über Genschummeleien aufkommen zu lassen. Erst die "Standard-Hardware" empfindet, fühlt und leidet wie sie eben leidet und erst das macht die Geschichte des Schmerzenmanns rund.

Das Vaterunser Anno 2007

Es ist wirklich erstaunlich wie erheblich (!) verändert und gekürzt sich das Neue Testament heute in vielen Versionen präsentiert.

eklatantes Beispiel: das Vaterunser aus dem Lukas-Evangelium Kapitel 11 / Herder-Bibel 2007

Vater, dein Name sei geheiligt, Dein Reich komme.
Gib uns täglich unser notwendiges Brot.
Und vergib uns unsere Sünden; denn auch wir vergeben jedem, der uns schuldet.
Und führe uns nicht in Versuch.

Krawuzikapuzi ... in der Lutherbibel 1545 liest sich das noch so:

Vnser Vater im Himel. Dein Name werde geheiliget. Dein Reich kome.
Dein wille geschehe / auff Erden wie im Himel.
Gib vns vnser teglich Brot jmerdar.
Vnd vergib vns vnser Sünde / Denn auch wir vergeben allen die vns schüldig sind.
Vnd füre vns nicht in Versuchung. Sondern erlöse vns von dem Vbel.

In der neuen Version begegnet der Mensch Gott nicht mehr demütig (Dein Wille geschehe), sondern mit einem fast geschäftsmäßigen, frech fordernden Ton. Das ist praktisch die religiöse Variante des "Hey, gib mir, Alter (weil's mir aus Selbstvollkommenheit zusteht)": keine Demut, kein Repekt, keine Selbsterkenntnis, das Erlösung Not tut und das es überhaupt so etwas wie einen Himmel, eine spirituell auch erfahrbare andere Welt, gibt. Durch die Streichungen wird Sinn, Zweck und Geist (die entsprechende Geisteshaltung) des Gebets in meinem Augen vollständig karikiert. Anstatt des demütig gebeugten Kopfes, reckt sich das Ego in luftige Höhen (gib mir, gib).

In der neuen Version entsteht übrigens auch der Eindruck, das die eigene Seite des Deals nur daraus besteht, denen zu vergeben, die einem selbst etwas schulden. Das "Dein Wille geschehe auf Erden" in der alten Version zeigt jedoch noch eine ganz andere Seite auf: das man sich diesem Willen (dem Willen Gottes) unterwirft, also das man vor hat, in Zukunft nicht wieder zu sündigen und gelebten Altruismus zu praktizieren. Dieses Element der Erkenntnis des eigenen Fehltritts, der bewußten Reue und demütigen Umkehr fehlt Anno 2007.

Man muß wirklich nicht Bibelkenner und/oder gläubiger Christ sein, um die Vergewaltigung des Sinns zu sehen. Und dabei ist es nicht nur irgendwo eine unwichtige Passage, an der herumgestrichen wird, sondern das zentrale Gebet von mindest drei noch immer lebenden Christengenerationen. Es gibt kein christliches Fest, keinen Gottesdienst, nichts, wo es nicht vorgetragen wurde und wird. Obwohl ich nur in meiner Kindheit einem regelmäßigem Gottesdienst beigewohnt habe, haben sich gerade dieses Gebet - und was es bedeutet - tief in mein akkustisches und emotionales Gedächtnis gegraben. Hunderte, ja tausende Male habe ich es gehört und ich kenne den Geist, der diese Worte spricht. Wird das in manchen Kirchen neuerdings so gekürzt und verschandelt vorgetragen? Das wäre natürlich noch unverschämter ...

Montag, 21. Juni 2010

Löcher im Fell.

Man sollte sich nicht darüber wundern, dass die Katze da Löcher in ihrem Fell hat, wo ihre Augen sind. Man sollte sich eher darüber wundern, das es überhaupt Katzen gibt.

- Harald Lesch / Alpha Centauri 179

Die Leichtgläubigkeit von Blondinen.

aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon ißt, wirst du des Todes sterben. 1 Mose 2,17

Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß. 1 Mose 3,4:6

Lutherbibel 1912

Freitag, 11. Juni 2010

Gesprächigkeit.

Wenn man einmal weiß, worauf es ankommt, hört man auf, gesprächig zu sein.

aus: Johann Wolfgang von Goethe / Wilhelm Meisters Lehrjahre


... die Boshaftigkeiten, die gerade durch meine Finger zucken, verkneife ich mir ausdrücklich.

Donnerstag, 10. Juni 2010

Heisenberg - oder: Die Sicht der Dinge

Von Kameras kennt es jedermann: wenn man irgendwo ranzoomt, braucht die Automatik etwas bis die Schärfe richtig eingestellt ist. Je nach Qualität des eigenen Händewackelns (bzw. der Qualität der Antiwackeltechnik) ist das Bild irgendwann halbwegs ruhig und scharf. Alternativ knipst man mit hoher Geschwindigkeit, also z.B. 1/1000 Sekunde. Irgendwann kriegt man so auch jeden Neo Niki Laudi in Bewegung scharf. Bei schnellen Bewegung braucht es dazu natürlich auch ausreichend Licht. Bei kurzen Belichtungszeiten wird das Bild sonst schnell zu dunkel und kontrastarm.

Spätestens auf atomarer Ebene ist es dann mit dem scharfen Bild vorbei. Die Strukturen beginnen so winzig zu werden, das sie merklich vom beleuchtenden Licht verschoben werden. Die einzelnen Photonen des Lichts wirken wie ein Sandsturm, der auf die Materie bläst. Einerseits bräuchte man, um irgendwo noch genauer hinzusehen (== noch näher heranzuzommen) , mehr Licht, andererseits stört dieses Mehr/Meer an Licht immer mehr die Sicht auf die Dinge.

Eigentlich ist das wie wenn man mit einem Lichtkegel in einem stockdunklen Raum eine Maus fangen will: Ist der Lichtkegel zu breit eingestellt, sehe ich die Maus nicht deutlich genug. Mache ich den Lichtkegel hingegen schmal und damit hell genug für Details der Maus (z.B. ihre hübschen Beisserchen), dann bleiben nur mehr statistische Aussagen über den aktuellen Standort der Maus übrig. Ich erwische sie damit einfach viel seltener. Wenn ich von der Maus nun aber noch Strukturen innerhalb ihrer Beisserchen sehen will, wird der Lichtkegel schon so schmal wie ein Laser. Die Maus erwische ich damit noch seltener und irgendwann stinkt dann das Fell auch ganz erbärmlich.

Die Welt da unten beginnt wirklich sich in ineinander verwobene, winzigste Schatten aufzulösen. Sehe ich irgendwo punktgenau die einzelnen Komponenten, bleibt mir das 'große Ganze' verborgen.

Ich glaube, ich habe das schon irgendwo mal geschrieben - aber egal: das wirklich Erstaunliche ist für mich eigentlich wie "eindeutig" unsere Alltagswelt erscheint. Die großen Strukturen zerfallen nicht einfach, obwohl dafür stets eine Restwahrscheinlichkeit bleibt (obwohl diese wahrscheinlich so gering ist, das gerade niemand hinschaut - die Augenpaare sind nunmal begrenzt - und manche davon wohl auch sediert). Die großen Strukturen existieren, verändern sich zwar mit der Zeit, aber das sie überhaupt da sind, ist erstaunlich. Schalten Sie mal auf einen Fernsehkanal voller Rauschen. Da sehen Sie nicht plötzlich ein längeres, stabiles Bild. Ein interpretierbares, stabiles Bild ist so schnell wieder weg, das meine Augen gar nicht wirklich schnell genug sind und statisch gesehen müßte ich dafür Jahre vor dem Rauschen sitzen. Langfristig stabile Strukturen (Insel im Chaos) erscheinen nicht einfach nur so. Sobald etwas lebt, wird die Umwelt entscheidend.

Nachwievor ist es ein völliges Rätsel, warum z.B. eine kleine Hand voll Elementarteilchen stabil ist und ein ganzes Meer an Verwandten schon in der Wiege das Zeitige segnet.

Vorgestern habe ich 'Understanding DNA' gelesen.

Einerseits erklärt sich auf dem Weg von den kleinsten Strukturen durch Ladungen und Raumstruktur (räumlicher Anordnung der verschiedengroßen Trümmer) vielerlei. Warum ist DNA gerade so gekrümmt wie sie gekrümmt ist? Vielerlei Rätsel lösen sich über Eigenschaften wie Wasserlöslichkeit der Einzelteile und grundsätzlichen Mechanismen. Vielerlei Rätsel tun sich aber dadurch auch wieder auf. Wirklich zwangsläufig erscheint dem rätselnden Verstand dann doch fast nichts. Fast jeder Schritt läßt Alternativen zu. Wissen wir nicht so genau, sollte man noch mal näher erforschen ...

Unheimlich wie der Mensch da rumtrampelt. Wie ein Barbar mit Stein und Keule. Doch das Prinzip (Stein und Keule) hat sich schon damals bewährt und es funktioniert auch heute noch. Für Eingriffe in die DNA kennen wir heute Schlüsseltechnologien. Wir können daran "herumschnipseln" und dann schauen, was mit der Zelle wird. Exakte Prognosen bezüglich Nebenwirkungen im Organismus gerade im Langzeitbereich sind auf keinerlei Level möglich. Mit 'viel Glück' tut es irgendwann mal das, was mal will (natürlich steckt in dem 'viel Glück' noch Mannjahre an Forschung). Ob die Änderung unter veränderten Lebensbedingungen nicht irgendwann ein Problem wird, ist unmöglich vorauszusagen. Die Evolution macht es zwar auch nicht anders, aber der Mensch hilft da heute mit aberwitzigen Kombination sehr deutlich nach.

Montag, 7. Juni 2010

Synthetische Biologie.

Die Zukunftsaussichten sind gruselig. Faktisch erst 2003 entstanden, entwickelt sich das Gebiet der synthetischen Biologie rasant vorwärts. Synthetische Biologie - das ist quasi Gentechnik "on steroids". Man dreht nicht mehr nur am einen oder anderen Schräubchen, man konstruiert Leben gleich von Grund (einem Protoorganismus) auf neu. Biobrick auf Biobrick und fertisch ist das (lebendige) 'Zuckerstück'.

Klar, da ist enorm viel Hype auf diesem Gebiet, aber die Tatsache, das damit mittlerweile in jedem besseren Schullabor experimentiert werden kann, diese Tatsache ist es, die mich gruseln läßt. In einem Moment pubertätsbedingter Abgelenktheit niest Klaus Rüdiger, 17, im Biounterricht in den Bottich Ursuppe vor ihm und erzeugt so irrtümlich ein virulentes Etwas, dem anschließend keiner mehr einen Namen geben konnte.

Irgendwie erinnert mich die Menschheit gerade ganz gewaltig an den Zauberlehrling ...

Freitag, 4. Juni 2010

Second Edition.

SECOND EDITION

To my big brother, Phil,
who was a mensch his whole life.

- Steve Krug: Don't make me think

Das Jiddische definiert 'Mensch' nicht neutral, sondern (in Opposition zum 'Unmensch') als 'a person of integrity and honor'. So'n richtiger Mensch eben, die 'First Edition' der Familie ...

Mittwoch, 2. Juni 2010

Das Universum von Außen.

Klumpig, wabig, wie Schaum oder Schwamm, seit 14 Milliarden Jahren am Dahinköcheln und noch lang nicht fertig. Die Ursuppe ... wirklich faszinierende Bilder:

http://www.atlasoftheuniverse.com/


Die Crux mit der Natur.

Heuristik (altgriech. εὑρίσκω heurísko „ich finde“; heuriskein, „(auf-)finden“, „entdecken“)
bezeichnet die Kunst, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen.

Die Quintessenz des letzten Jahrhunderts menschlichen Forschens: die Welt ist (auf jeder Größenskala) viel komplexer als gedacht. Spätestens auf subatomarer Ebene versagt das bildhafte Vorstellungsvermögen, was es denn ist, das da ist. Zum Beispiel: Obwohl in fast jeden Effekt, den wir wahrnehmen, Elektronen verwickelt sind, haben wir keinerlei bildhafte Vorstellung, was ein Elektron ist. Wir kennen seine Eigenschaften wie Gewicht und Ladung, kennen die Gesetzmäßigkeiten, dem es unterliegt, können damit rechnen und sogar mit einzelnen von ihnen experimentieren, aber ein Bild dieses Teilchens, eine visuelle Vorstellung, können wir uns nicht machen. Es ist definitiv kein kleines, herumflitzendes Kügelchen, denn mit dieser Vorstellung versagen selbst die Rechnungen der klassischen Theorien. Was ist das, das da rumflitzt und dafür verantwortlich ist, das Materie für uns fest erscheint, und wir nicht in den Erdkern stürzen, das Chemie und Biologie funktioniert und und und? Wir können es beschreiben und (erfolgreich) verwenden, aber nicht mehr erkennen.

Mehr denn je ist die Natur an sich heute wieder ein völliges Wunder. Da, wo sich der Mensch sich schon kurz vor der obersten Erkenntnis gewähnt hat, muß er heute reumüdig zugeben, das das alles dann doch nicht mit ein paar einfachen Heuristiken erklärt werden kann. Daumen-mal-Pi ist gut für's tägliche Leben, aber es ist bloß eine Approximation einer viel komplizierten Wirklichkeit, einer Wirklichkeit, die sich heute nur mehr in entsprechend komplizierten, mathematischen Theorien erschließt.

Rund ist nie wirklich ganz rund. Gleichseitig ist nie wirklich gleichseitig. Gleichmäßigkeit ist eine Frage der Einzelteile und der Größenordnung und sowieso und überhaupt ist die Perspektive wichtig.

Könnte der Mensch Funkwellen (z.B. einer der für Handys verwendeten Frequenzbänder) als 4. Farbe sehen, wie seltsam würde er wohl einen Spaziergang durch die Innenstadt wahrnehmen? Die Masten der Betreiber wären mehr oder weniger intensive Lichtquellen, die die Stadt in ein Meer aus Licht und Schatten dieser Farbe tauchen. Einzelne Handies wären entsprechend kleinere Lichtquellen, die entsprechend ihrer Verwendung flackern. Manche Oberflächen schlucken die Strahlung, andere reflektieren sie und manche (die meisten) lassen auch einen gewissen Prozentsatz durch, d.h. mit diesem neuen Sinn kann man nun mehr oder minder gut auch durch Wände sehen (ähnlich einem Schattentheater bzw. Röntgen).

Hmmmm ... hat das eigentlich schon jemand technisch umgesetzt? Also mehrere, für diesen Frequenzbereich sensible Sensoren auf einer Fläche angeordnet, sodaß ein 2d-Bild entsteht? Reicht die Sensibiltät heutiger Sensoren, um Häuser mit entsprechend starken Strahlungsquellen zu durchleuchten? Welche Tiefen-Auflösung ließe sich hinkriegen? Ich sollte mich mal Richtung Bodyscan-Technologien schlau machen. Was wird dort verwendet? Was sind die Einschränkungen? Eins ist klar: die Zukunft wird in dieser Hinsicht 'gruselig'. Wird Zeit in Alu-Folien-Aktien zu investieren ...

Nachtrag.

Als Einstieg in die Materie: Kraut-und-Rüben-Artikel bzgl. Scanner-Technik