Montag, 26. Juli 2010

Resümee / The End.

This is the end
Beautiful friend
This is the end
My only friend, the end

- Doors / the End
Vom ersten Moment - der befruchteten Eizelle - an, entwickelt sich menschliches Leben als eng ineinanderverflochtenes Gesamtpaket aus Veranlagung und Umgebung. Die Umgebung unserer Kindheit prägt uns nicht nur, sie genauso Ausprägung unserer Veranlagung.

Liegt mein geringes Bedürfnis an menschlicher Nähe, z.B. an der fehlenden Nestwärme in meiner Kindheit? Wäre ich in einer anderen Familie anders geworden? Aus der Perspektive von Heute, nach gut einem halben Dutzend mehrjähriger Beziehungen und mindestens gleichviel völlig unterschiedlicher Leben, bezweifle ich das.

Was sich da aber von Anfang an immer wiederholt, ist das Drama vom hochbegabten Kind, das fast zwanghaft geistige Beschäftigung braucht.

Aus meiner Innenperspektive fühle ich mich nicht intelligenter oder besser als andere. Ich langweile mich bloß mit Menschen, die keinerlei Tiefgang haben und/oder in Oberflächlichkeiten leben und denken. Besitz, Geld, Prestige, Machtstreben sind mir zuwider. Routine, bei der der Kopf abschalten kann, ist schrecklich. In der Mittelschule hatte ich über fünf Jahre einen Notenschnitt von ~1,5 und gleichzeitig die meisten Fehlstunden der gesamten Schule (~1200 Schüler). An der Uni war ich nur zu den Prüfungen und den Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht (gabs damals kaum). Die allerletzte Prüfung machte ich erst nach langjähriger Pause, da ich mich nicht für die notwendigen bürokratischen Rennereien motivieren konnte und mir Titel so oder so egal sind.

In fast allen Aspekten ist es wirklich ein sehr, sehr seltsames Leben, auf das ich da zurückblicken kann, denn von Anfang an hat mich fast ausschließlich leidenschaftliche Neugier auf alles Wissenswerte durch die Welt getrieben.

Es ist kein Wunder, das ich Informatiker wurde. Es ist auch kein Wunder, das ich in einer Entwicklungsabteilung gelandet bin und dort fast zehn Jahre als Systemarchitekt arbeitete. Das mit zwei anderen entwickelte Framework dient auch heute noch als Basis für die Projektabwicklung des 500-Mann-Unternehmens. Den Job schmiß ich hin, weil Bürokratismen irgendwann das konstruktive Arbeiten unmöglich machten bzw. genug für eine mittellange Auszeit am Konto lag.

Nach meinem Abgang vor über zwei Jahren hat sich die Entwicklungsabteilung komplett aufgelöst. Die Projektkosten schießen durch die Decke, da jedes fehlende/neue Stück Software nun jedes Mal neu geschrieben wird (keinerlei Wiederverwertung). Tja. Auch davor hatte ich mehr als deutlich gewarnt. Wer gern Millionenbeträge verschwendet, soll ruhig.

Jetzt, wo nichts und niemand mehr an mir zerrt und ich die 24h jedes Tages zur Verfügung habe, finde ich mich glücklich und zufrieden in einem kargen Einsiedlerleben wieder, das ganz und gar von geistiger Arbeit bestimmt ist. Was nicht notwendig ist, habe ich entfernt und entferne ich noch (okay - das mit den Zigaretten und das mit dem Fleisch klappt noch nicht ganz).

Wohin mich mein jetziges Leben führt, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig, denn mein Leben lebt sich endlich wieder ganz von aus sich selbst heraus. Egal, was ich mache, ich mache es mit 100% Leidenschaft und Fokus. Nichts zerrt mich mehr aus dem Hyperfokus, der sich teilweise über Tage aufrecht erhalten läßt und wo es keine Zeit, kein Ich, keine Umwelt mehr gibt, wo alles ganz leicht fällt und faktisch von allein passiert. Aufgehen in dem, was man tut. Gibt es etwas Schöneres? Selbstvergessenheit at work.

Wenn mich wer nach meinem Job fragt: ich bin mein privates Forschungs- und Entwicklungszentrum. Was dabei rauskommt, ist egal. Hauptsache der Weg ist schön. Um den schnöden Mammon kümmere ich mich, wenn's mal wieder notwendig ist.

Bei der Lebensweise reicht das angesparte Geld noch immer für die nächsten zehn Jahre. Es hat zwar etwas gedauert, Gedanken wie "denk an die Zukunft, sei vernünftig, wie die Restfinanzierung sicherstellen" selbst aus mir rauszuprügeln, aber nun klappt das auch wieder ganz gut. Glücklich sein. Um nichts anderes geht's in diesem Affentheater.

Und sollte ich dann doch irgendwann mal ein Sozialfall werden, brauche ich mich ausgehend von meinem jetzigen Lebenstil nicht umgewöhnen, denn mehr Geld als es an Sozialhilfe gäbe, gebe ich auch heute nicht aus (nicht aus Geiz, es würde nur nichts an meiner Zufriedenheit ändern). Sich was gönnen, funktioniert auch mit den winzigsten Kleinigkeiten, wenn man vorher darauf verzichtet.

Getrieben von ein und derselben Leidenschaft möglichst alles mit 100% Fokussierung zu tun: arbeiten, Menschen (ganz, ganz wenige und selten) begegnen, egal was. Sex? Besser nicht fragen, Sie würden nur neidisch.

Wenn die Aufmerksamkeit völlig auf ein Tun oder ein Gegenüber gerichtet ist, verschwindet jegliches Ich ganz automatisch. Das ist wie im Kino oder bei einem Buch. Wenn es so richtig spannend ist, zwicken keine Sorgen, keine Probleme. Kein was habe ich, was tue ich, was fehlt mir und und und ... 100% da in der persönlichen Gegenwart (dem aktuellen Tun, Erleben).

Es hat eine Weile gedauert (die letzten zwei Jahre und die vierzig Jahre davor), um zu verstehen und um viel von dem Plunder in meinem Kopf, die tradierten Vorstellungen und anderen Müll, loszuwerden. Der rote Faden tritt mittlerweile so deutlich in jedem erinnerten Szenario hervor, das ich mich für den Dümmsten aller Menschen halte.

Geschenk oder Bürde? Es ist beides. Zeitlebens habe ich mich damit herumgequält, mehr Nähe zu leben als ich konnte. Ich wollte das Familiäre, das Tag für Tag mit anderen. Zig Male habe ich es versucht. Zig Male bin ich gescheitert. Einzig Fernbeziehungen, in denen sich zwei Leben kaum berühren, liefen gut. Ich war blind. Einfach nur blind. Mein Wunsch einfach so wie alle anderen zu sein, war so groß, das mir keinen Moment die Idee kam, ich wäre für das Scheitern der Beziehungen verantwortlich. Teilschuld, ja, klar, aber eigentlich Opfer der Umstände. Blind, einfach nur blind.

Das eigentliche Geschenk ist der gratis Selbstlos-Modus. Da, wo sich andere richtig quälen müssen, um ihr (fiktives) Ich nur kurz loszuwerden, kann ich mich faktisch für fast alles so faszinieren, das nichts anderes mehr wichtig ist. Schnips und das Ich ist weg. Ist der Körper hungrig, läuft er schon von ganz allein zum Kühlschrank. Sind nur gesunde Sachen drin, isst er sang- und klanglos auch diese. Ist er müde, schläft er eben. Der letzte Gedanke am "Abend", wird am "Morgen" fertiggedacht. Wie weit sich das mit der Konzentration zeitmäßig ausdehnen läßt, ist außerordentlich erstaunlich. Ohne Probleme sind im Nu fünf Tage durch und es wird Zeit für konzentrierte Zweisamkeit am Wochenende inklusive kleiner und großer leiblicher Genüsse. Bei dieser Hitze ist es z.B. herrlich gemeinsam unter den Sternen auf der Dachterasse einzuschlafen.

Die Frage, ob ich glücklich bin, stellt sich unter der Woche erst gar nicht, denn welches Ich sollte diese Frage stellen? Wer ganz mit dem verschmilzt, was er tut, stellt keine ICH-Fragen mehr. Zufrieden und glücklich und auch erholt (trotz hoher Leistung) wache ich am Ende der Woche in ein ganz anderes Leben auf. Da ist sie und nur sie und meine Aufmerksamkeit ist zu 100% bei ihr mit der Grundintention, die bestmöglichste, gemeinsame Zeit zu verbringen, mein inneres Glück und meine Zufriedenheit auf sie auszuweiten, ihr von meinem Glück abzugeben.

Warum gerade sie? Diese Frage hat mich immens lange beschäftigt, denn sie vereinigt in einer Person, was ich an Frauen liebe und was ich an ihnen bzw. generell an Menschen hasse (alle möglichen Ausprägungen des Egoismus bis hin zur Geltungssucht). Als Beziehung ist es seit grob drei Jahren eine Gratwanderung am Limit meiner Geduld, denn die Bösartigkeit ihrer Hausfrauen-Paranoia kennt kaum Grenzen. Als Mensch ist sie meine bisher größte Herausforderung.

Wie war das?

Die sind nicht verrückt. Das sind bloß Frauen.

Wenn ich mit den negativen Eigenschaften, die sie geradewegs wie eine Linse bündelt, umgehen kann, spätestens dann habe ich wohl den höchsten Grad an Selbstdisziplinierung erreicht ;)

Ihre Sturheit zu verstehen, das sie glücklich ist, ist enorm. Sie spürt es zwar, sagt es auch, inszeniert dann aber doch wieder Drama um Drama wegen völliger Hirngespinste. Was sich Menschen, überhaupt Frauen, so alles zusammendenken können, ist wirklich unglaublich. Und am Schlimmsten sind die, die glauben, sie seien klug und besonders empathisch und würden alle Menschen durchschauen (obwohl es eigentlich umgekehrt ist). Nur blöd, wenn es da mal nichts zu durchschauen gibt.

Würde nicht aus dem Rest der Woche und den langen Hyperfokus-Phasen soviel Kraft entstehen, wäre ich wohl schon längst an ihr gescheitert. Doch so sammle ich fleißig Plussternchen für meine Karma-Konto. Braucht ja jeder seine Pfadfinder-Aufgabe.

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Ich denke, dieser Blog hier hat nun endlich ausgedient. Spiel, Satz und Sieg. Godot, von dessen Nichtexistenz mittlerweile die ganze Welt überzeugt war, kam schließlich doch noch, sah sich im menschenleeren Raum um, pfiff 'The End' von den Doors und drehte das Licht ab.

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