Dienstag, 11. Mai 2010

Kein Tag ist langweilig.

Benny verstand nicht viel von dem Geschreibsel der akademischen Kritiker, aber er wußte, daß der Odysseus für ihn das einzige Buch war, das es je geschafft hatte, das Alltägliche bedeutungsvoll erscheinen zu lassen. Und das war eine so glänzende Leistung, daß er vom Genie Jungs ein für allemal überzeugt war. Überdies ermutigte es ihn, in allem, was geschah, auf die eine oder andere Art etwas Wunderbares zu entdecken. Wenn Jungs Figuren, zumindest einige von ihnen, vierzehn Stunden lang scheißen, pissen, masturbieren und ficken konnten, dann nicht deshalb, weil der Theologe versuchte, Pornographie zu schreiben, sondern weil das Wunder des alltäglichen Lebens nicht ohne all diese alltäglichen Dinge dargestellt werden konnte. Benny scherte sich keinen grünen Pfifferling um die Parallelen des Romans zur Odyssee oder den Stationen des Kreuzwegs, die Jung angedeutet hatte, oder die vielen anderen Entsprechungen zu Körperorganen, Farben, Tarotkarten, I Ging, Hexagrammen und dem romantischen Dreieck in Kraz Kat, die seine Bewunderer entdeckt zu haben glaubten. Für ihn war das Bedeutendste an Odysseus, daß es beihnah wissenschaftlich demonstrierte, daß kein Tag langweilig war.

Aus: Robert Anton Wilson - Schrödingers Katze / Das Universum nebenan.

Langeweile ist keine Eigenschaft der Zeit, des Raums oder der Dinge. Langeweile ist ein Maß für die eigene Phantasie- und Disziplinlosigkeit.

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