Montag, 8. Juni 2009

Illusionen.

Wer schreibt? Ich weiß es nicht.

Was hat mich gerade so tief erschüttert? Ich habe den Text von Erich Fromm (Psychoanalyse und Zen-Buddhismus) schon Anfang 2003 gelesen - ja, ja, dachte ich damals, verstanden habe ich scheinbar nichts.

Der Text zeigt schonungslos auf, was mein bewußtes Ich ist. Ganz zwangsläufig erwächst es aus dem, was mich umgibt und aus dem, mit dem ich in Kontakt war. Erziehung liefert Filterparameter, Sprache liefert Filterparameter, Logik liefert Filterparameter. Im Grunde liefert alles, um mich Filterparameter. Manches, denkt man eben nicht (Kulturkreis/Erziehung), manches ist "unlogisch" im Sinne der hier vorherrschenden Logik (ambivalente Gefühle können deswegen so schwer wahrgenommen werden, weil die Logik verbietet, das Liebe und Nicht-Liebe/Hass gleichzeitig Eigenschaft von etwas sind), für manches gibt es keine eigenen Worte oder die Syntax der Sprache beschränkt die Abstraktion.

Dieses bewußtwahrgenommene Ich ist alles mögliche, nur eben nicht Ich, nicht das, was da schlußendlich hört, was mein Innerstes ausmacht. Mit einem Schlag - das tiefe Rauschen meines Blutes weicht erst langsam aus meinen Ohren - erfüllt mich wortloses Verstehen. Wie nichtig sind diesen inneren Kämpfe. Da fechte nicht Ich, sondern da fiecht mein sich seiner Umgebung angepasster Organismus Scheinkämpfe, macht unnötige Drahtseilakte. Das Bewußtsein ist die Illusion. Das Ich versteckt sich wo anders.

Wer bin ich? Ich weiß es nicht. Ich zerreisse die Schleier und weiß, was ich nicht bin, nämlich genau diese Illusion, die hauptsächlich ein riesiges Aktion/Reaktion-Netzwerk ist, ein kulturell- und umgebungsbedingtes Etwas, das Empfindungen zuläßt, verstärkt oder unterdrückt. Mein Ich liegt viel tiefer. Mein Ich ist dieses Bauchgefühl, das weiß ohne bewußt zu wissen.

"Das, was Es war, soll Ich werden." Dieser Satz, diese Devise, die Fromm Freud zuschreibt, bringt die Idee des Zen-Buddhismus auf den Punkt. Forsche in Dir nach dem, was da hört, was da sieht, was da isst, was da schläft. Der ich bisher glaubte zu sein, bin ich nicht. Wer bin ich?

Warum hat mich diese Erkenntnis gerade so erschüttert? Fromms Analyse ist brilliant, keine Frage, aber brilliant ist sie mir sicherlich schon damals vor ein paar Jahren erschienen. Warum kann es mich jetzt so durch und durch überzeugen, ja geradezu umhauen, gleichzeitig das Traurigste und Freudigste sein seit langen Monaten? Für einen Moment war ein Erkennen da, ein schreckliches Realisieren wieviel Zeit und Energie ich schon verschwendet habe, wie sinnlos das doch alles war.

Ebenso: wie lächerlich komisch ist das alles. Das stolze Ich mit seiner ach-so-großen Freiheit. Jegliches Abstrahieren, alles Kategorisieren, alle Logik - Illusionen und Täuschungen, Automatismen. Wärme durchströmt mich. Wie lächerlich komisch, wenn man die Perspektive wechselt, wie lächerlich komisch ist das alles. Aufgeblasen stolziert das Ich herum und glaubt von sich es sei der Wesenskern. Wie lächerlich komisch.

Ich fühle mich freier. Erst jetzt erahne ich langsam wie durch und durch abhängig, illusionär und im Grunde starren Regeln folgend mein bewußtes Denken wirklich ist. Alles, was nicht zu den Filtern passt, gelangt erst gar nicht ins Wach-Bewußtsein, aber es ist nichtsdestotrotz unverleugnungsbar da, hat mehr reale Existenz als jeder aus Kategorien entstandener, bewußter Gedanke.

Ha, ha, ha.

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