Dienstag, 27. Juli 2010

Nachschlag: Die Sache mit dem Glück.

Day after day,
Alone on a hill,
The man with the foolish grin is keeping perfectly still
But nobody wants to know him,
They can see that he's just a fool,
And he never gives an answer,

But the fool on the hill,
Sees the sun going down,
And the eyes in his head,
See the world spinning 'round.

- Beatles / The Fool on the Hill

Unter welchen Umständen könnte ich glücklich sein? Wer sich diese Frage stellt, hat schon verloren. Spätestens dann fängt es nämlich im Kopf zu rumoren an, Vergleiche werden gezogen, was habe/hatte ich, was habe ich nicht, was muß ich erreichen, wo zwickt's.

Der grinsende Dicke aus Asien (Buddha) weist in seinen umfangreichen Lehrreden deutlich darauf hin: an was der Mensch leidet, ist sein ICH. Das ICH, der Egoismus, ist Wurzel fast allen Leidens (extern wie intern). Wer es schafft sein ICH zu vergessen, ist, egal was er tut, zufrieden.

Doch wie vergesse ich dieses ICH? Wie lege ich es schlafen und sei es auch nur für kurz? Den einfachsten Weg, den ich für mich gefunden habe, ist die Fesslung meiner Aufmerksamkeit. Ist meine Aufmerksamkeit zu 100% gefesselt, ist das ICH auch schon fort und mit ihm auch der Rest der Welt inklusive Sorgen und Wehwehchen, außer eben dem aktuellen Aufmerksamkeitsfokus. Je länger sich dieser Zustand aufrecht erhalten läßt, umso besser. Man tut eben, was man tut. Die "Aufgabe" direkt vor der Nase ist alles, was zählt.

Unbewußt erlebt das wohl jeder dann und wann unter diesen und jenen Umständen. Das spannende Gespräch mit dem Freund, bei dem man völlig die Zeit vergisst. Das Hobby, in dem man sich so ganz und gar verliert oder das neuerworbene, faszinierende Ding (böse, böse - bloß nur keinen Dingen a la das "neuere und bessere Modell" aus reinem Suchtverhalten nachjagen - das macht definitiv nicht stabil glücklich).

Das, was ich bisher in meinem Leben nicht verstanden habe, ist, wie einfach sich das bewußt kultivieren läßt und es keineswegs von den Zufälligkeiten der aktuellen Umstände abhängt. Sobald die Gedanken z.B. in einem Gespräch anfangen zum Abgleiten, sobald auch nur irgendwelche ICH-Gedanken auftauchen, gar nicht erst weiterdenken, sondern retour mit dem Aufmerksamkeitsfokus zum Gegenüber. Natürlich muß sich das Gegenüber auch auf ein intensives und offenes Gespräch einlassen können. Ansonsten fällt es natürlich "etwas" schwerer, den Aufmerksamkeitsfokus beim Gegenüber, beim Gespräch, bei "der Sache an sich" zu halten.

Natürlich gibt es nicht nur Spannendes auf der Welt, bei dem es einfach fällt, sich zu 100% zu fokussieren. Genaugenommen ist es nämlich sogar anderes herum: nach ein paar Jährchen erscheint dem Standard-Mindset, der nicht sonderlich aufmerksam für das Jetzt ist, alles als Wiederholung. Tag für Tag für Tag. Der nächste Job. Die nächste Beziehung. Dabei ist nichts eine Wiederholung. Keine zwei Handgriffe ähneln sich. Wie sollten sich dann zwei "Zellhaufen" von grob 100.000 Milliarden Zellen sich irgendwie ähnlich sein? Spätestens beim Inhalt des Hirns (Erlerntes, Erinnerungen ...) sind sich auch eineiige Zwillinge nicht mehr sehr ähnlich, wenn sie getrennt leben. So festzementiert wie der Richtungspfeil der Zeit nur in eine Richtung zeigt, so wenig existieren auch Wiederholungen. Das Gefühl der Wiederholung liegt ausschließlich in einem Mangel an Aufmerksamkeit für die Gegenwart.

Anstatt Vergleiche anzustellen, anstatt Hierhin und Dahin zu grübeln, anstatt Gedanken zu folgen, die das Ego streicheln oder piesacken, reicht es, diese Gedanken einfach ins Leere laufen zu lassen. Manche Gedanken sind zwar hartnäckig und kommen immer mal wieder, aber konsequente Ignoranz zahlt sich früher oder später aus. Offen, mit 100% Außenfokus (die Aufgabe vor der eigenen Nase) und somit ohne jegliche Hintergedanken in der Gegenwart - was andere sich darüber denken mögen? Wen kümmert's? Was gestern war? Wen kümmert's? Was morgen ist? Wen kümmert's? Ja - WER fragt da überhaupt?

Natürlich ist das kein Freibrief für irgendwelche Disziplinlosigkeiten. IMHO sind sogar die bewußte Charakterbildung durch Selbstdisziplinierung und eine altruistische Grundhaltung ("niemandem etwas Böses wollen") Grundvoraussetzung für jegliches Glück. Als ethische/moralische Basis reicht die Vorstellung vom Kreislauf der Widergeburten (Karma). Im Grunde ist es dabei belanglos, ob es nun diesen Kreislauf von Widergeburten gibt. Allein der Glaube, das irgendwann in der Zukunft alles Negative retour kommt, hält effektiv vom Falschem ab.

In einer ständig lauter und oberflächlichwerdenden Welt wird es sogar zunehmend schwieriger sich auch nur für Momente auf etwas zu konzentrieren. Anno 2010, im Zeitalter von "Always Online" (Twitter, Chatting, Mobiles ...), ist Konzentration mittlerweile so ein rares Gut, das die gesamte westliche Gesellschaft an einer Aufmerksamkeitsstörung zu leiden scheint. Die explodierenden ADHS-Diagnosen unter Kindern zeigen ja sehr deutlich, das die nachkommenden Generationen extreme Probleme mit dieser lärmenden "Brave New World" und all ihren grellbunten Ablegungen im Sekundentakt haben.

Wie manche Kinder über zig Medien- und Kommunikationskanäle zugedröhnt werden/sich zudröhnen dürfen, ist teilweise echt erbärmlich. Klar sind Kinder fasziniert von dem allen. Ganz natürlich folgt ihre Aufmerksamkeit jedem externen Trigger, denn Abwechslung ist spannender als Wiederholen, das "Neue" ist besser als das "Alte". Wundert es denn da irgendwen wirklich, das solche Kinder dann mit 6 Jahren in der Schule nicht stillsitzen können und gierig nach Abwechslung herumtigern? Wundert es irgendwen, das aus diesen Kindern rasante Ausbildungswechsler werden, die bei kaum etwas länger als ein paar Wochen oder Monate durchhalten? Die schiere Anzahl und das Angebot an Medien- und Kommunikationskanäle streßt doch heute bitte schön jeden Erwachsenen. Per Handy und Mail verwischen sich die Grenzen zwischen Beruf und privat. Ständig piepst es irgendwo, klingelt es, Durchsagen, Musik, diverse Onlinekanäle.

Heute brauchen Kinder mehr denn je jemanden, der ihr Aufmerksamkeitsmanagement übernimmt, der für eine möglichst ruhige und nichthektische Umgebung sorgt und der sie langsam an die Hektik der modernen Welt heranführt. Impulskontrolle ist nicht vererbt. Impulskontrolle muß erlernt werden.

Je gelassener, konsequenter und ruhiger dabei ihre Vorbilder aka Aufmerksamkeitsmanager sind, umso besser. Geregelte Tageszeiten sind faktisch ein MUST-HAVE, klare, einfache Regeln genauso. IMHO ist auch das langsame Heranführen an Arbeit und Verantwortung (z.B. durch Minijobs im Haushalt) notwendig. Eltern, die aus Liebe ihren Kindern alles abnehmen wollen, schaden ihnen eigentlich gewaltig, denn was Klein-Hänschen nicht lernt (z.B.: auch Unangehmes zu ertragen/Respekt vor anderen/Dankbarkeit), lernt Hans kaum noch.

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The Fool on the Hill: ich halte zwar nie 'perfectly still', aber das mit dem Grinsen klappt wunderbar. Natürlich braucht es auch etwas Weitblick und Planung, aber dann plant man eben, wenn es etwas zu planen gibt und setzt es dann um. Jedes plan- und ziellose Herumschweifen der eigenen Aufmerksamkeit, z.B. das Sorgen und sich Gedankenmachen, ist völlige Zeit- und Energievergeudung. Hier und Heute und Jetzt in diesem Moment spielt die Musik, mein Freund und Zwetschkenröster. Der Rest sind Hirngespinste. Vergangenheit ist tot, Zukunft ungeboren. Wohl denn, zurück ins Vergnügen.

Montag, 26. Juli 2010

Resümee / The End.

This is the end
Beautiful friend
This is the end
My only friend, the end

- Doors / the End
Vom ersten Moment - der befruchteten Eizelle - an, entwickelt sich menschliches Leben als eng ineinanderverflochtenes Gesamtpaket aus Veranlagung und Umgebung. Die Umgebung unserer Kindheit prägt uns nicht nur, sie genauso Ausprägung unserer Veranlagung.

Liegt mein geringes Bedürfnis an menschlicher Nähe, z.B. an der fehlenden Nestwärme in meiner Kindheit? Wäre ich in einer anderen Familie anders geworden? Aus der Perspektive von Heute, nach gut einem halben Dutzend mehrjähriger Beziehungen und mindestens gleichviel völlig unterschiedlicher Leben, bezweifle ich das.

Was sich da aber von Anfang an immer wiederholt, ist das Drama vom hochbegabten Kind, das fast zwanghaft geistige Beschäftigung braucht.

Aus meiner Innenperspektive fühle ich mich nicht intelligenter oder besser als andere. Ich langweile mich bloß mit Menschen, die keinerlei Tiefgang haben und/oder in Oberflächlichkeiten leben und denken. Besitz, Geld, Prestige, Machtstreben sind mir zuwider. Routine, bei der der Kopf abschalten kann, ist schrecklich. In der Mittelschule hatte ich über fünf Jahre einen Notenschnitt von ~1,5 und gleichzeitig die meisten Fehlstunden der gesamten Schule (~1200 Schüler). An der Uni war ich nur zu den Prüfungen und den Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht (gabs damals kaum). Die allerletzte Prüfung machte ich erst nach langjähriger Pause, da ich mich nicht für die notwendigen bürokratischen Rennereien motivieren konnte und mir Titel so oder so egal sind.

In fast allen Aspekten ist es wirklich ein sehr, sehr seltsames Leben, auf das ich da zurückblicken kann, denn von Anfang an hat mich fast ausschließlich leidenschaftliche Neugier auf alles Wissenswerte durch die Welt getrieben.

Es ist kein Wunder, das ich Informatiker wurde. Es ist auch kein Wunder, das ich in einer Entwicklungsabteilung gelandet bin und dort fast zehn Jahre als Systemarchitekt arbeitete. Das mit zwei anderen entwickelte Framework dient auch heute noch als Basis für die Projektabwicklung des 500-Mann-Unternehmens. Den Job schmiß ich hin, weil Bürokratismen irgendwann das konstruktive Arbeiten unmöglich machten bzw. genug für eine mittellange Auszeit am Konto lag.

Nach meinem Abgang vor über zwei Jahren hat sich die Entwicklungsabteilung komplett aufgelöst. Die Projektkosten schießen durch die Decke, da jedes fehlende/neue Stück Software nun jedes Mal neu geschrieben wird (keinerlei Wiederverwertung). Tja. Auch davor hatte ich mehr als deutlich gewarnt. Wer gern Millionenbeträge verschwendet, soll ruhig.

Jetzt, wo nichts und niemand mehr an mir zerrt und ich die 24h jedes Tages zur Verfügung habe, finde ich mich glücklich und zufrieden in einem kargen Einsiedlerleben wieder, das ganz und gar von geistiger Arbeit bestimmt ist. Was nicht notwendig ist, habe ich entfernt und entferne ich noch (okay - das mit den Zigaretten und das mit dem Fleisch klappt noch nicht ganz).

Wohin mich mein jetziges Leben führt, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig, denn mein Leben lebt sich endlich wieder ganz von aus sich selbst heraus. Egal, was ich mache, ich mache es mit 100% Leidenschaft und Fokus. Nichts zerrt mich mehr aus dem Hyperfokus, der sich teilweise über Tage aufrecht erhalten läßt und wo es keine Zeit, kein Ich, keine Umwelt mehr gibt, wo alles ganz leicht fällt und faktisch von allein passiert. Aufgehen in dem, was man tut. Gibt es etwas Schöneres? Selbstvergessenheit at work.

Wenn mich wer nach meinem Job fragt: ich bin mein privates Forschungs- und Entwicklungszentrum. Was dabei rauskommt, ist egal. Hauptsache der Weg ist schön. Um den schnöden Mammon kümmere ich mich, wenn's mal wieder notwendig ist.

Bei der Lebensweise reicht das angesparte Geld noch immer für die nächsten zehn Jahre. Es hat zwar etwas gedauert, Gedanken wie "denk an die Zukunft, sei vernünftig, wie die Restfinanzierung sicherstellen" selbst aus mir rauszuprügeln, aber nun klappt das auch wieder ganz gut. Glücklich sein. Um nichts anderes geht's in diesem Affentheater.

Und sollte ich dann doch irgendwann mal ein Sozialfall werden, brauche ich mich ausgehend von meinem jetzigen Lebenstil nicht umgewöhnen, denn mehr Geld als es an Sozialhilfe gäbe, gebe ich auch heute nicht aus (nicht aus Geiz, es würde nur nichts an meiner Zufriedenheit ändern). Sich was gönnen, funktioniert auch mit den winzigsten Kleinigkeiten, wenn man vorher darauf verzichtet.

Getrieben von ein und derselben Leidenschaft möglichst alles mit 100% Fokussierung zu tun: arbeiten, Menschen (ganz, ganz wenige und selten) begegnen, egal was. Sex? Besser nicht fragen, Sie würden nur neidisch.

Wenn die Aufmerksamkeit völlig auf ein Tun oder ein Gegenüber gerichtet ist, verschwindet jegliches Ich ganz automatisch. Das ist wie im Kino oder bei einem Buch. Wenn es so richtig spannend ist, zwicken keine Sorgen, keine Probleme. Kein was habe ich, was tue ich, was fehlt mir und und und ... 100% da in der persönlichen Gegenwart (dem aktuellen Tun, Erleben).

Es hat eine Weile gedauert (die letzten zwei Jahre und die vierzig Jahre davor), um zu verstehen und um viel von dem Plunder in meinem Kopf, die tradierten Vorstellungen und anderen Müll, loszuwerden. Der rote Faden tritt mittlerweile so deutlich in jedem erinnerten Szenario hervor, das ich mich für den Dümmsten aller Menschen halte.

Geschenk oder Bürde? Es ist beides. Zeitlebens habe ich mich damit herumgequält, mehr Nähe zu leben als ich konnte. Ich wollte das Familiäre, das Tag für Tag mit anderen. Zig Male habe ich es versucht. Zig Male bin ich gescheitert. Einzig Fernbeziehungen, in denen sich zwei Leben kaum berühren, liefen gut. Ich war blind. Einfach nur blind. Mein Wunsch einfach so wie alle anderen zu sein, war so groß, das mir keinen Moment die Idee kam, ich wäre für das Scheitern der Beziehungen verantwortlich. Teilschuld, ja, klar, aber eigentlich Opfer der Umstände. Blind, einfach nur blind.

Das eigentliche Geschenk ist der gratis Selbstlos-Modus. Da, wo sich andere richtig quälen müssen, um ihr (fiktives) Ich nur kurz loszuwerden, kann ich mich faktisch für fast alles so faszinieren, das nichts anderes mehr wichtig ist. Schnips und das Ich ist weg. Ist der Körper hungrig, läuft er schon von ganz allein zum Kühlschrank. Sind nur gesunde Sachen drin, isst er sang- und klanglos auch diese. Ist er müde, schläft er eben. Der letzte Gedanke am "Abend", wird am "Morgen" fertiggedacht. Wie weit sich das mit der Konzentration zeitmäßig ausdehnen läßt, ist außerordentlich erstaunlich. Ohne Probleme sind im Nu fünf Tage durch und es wird Zeit für konzentrierte Zweisamkeit am Wochenende inklusive kleiner und großer leiblicher Genüsse. Bei dieser Hitze ist es z.B. herrlich gemeinsam unter den Sternen auf der Dachterasse einzuschlafen.

Die Frage, ob ich glücklich bin, stellt sich unter der Woche erst gar nicht, denn welches Ich sollte diese Frage stellen? Wer ganz mit dem verschmilzt, was er tut, stellt keine ICH-Fragen mehr. Zufrieden und glücklich und auch erholt (trotz hoher Leistung) wache ich am Ende der Woche in ein ganz anderes Leben auf. Da ist sie und nur sie und meine Aufmerksamkeit ist zu 100% bei ihr mit der Grundintention, die bestmöglichste, gemeinsame Zeit zu verbringen, mein inneres Glück und meine Zufriedenheit auf sie auszuweiten, ihr von meinem Glück abzugeben.

Warum gerade sie? Diese Frage hat mich immens lange beschäftigt, denn sie vereinigt in einer Person, was ich an Frauen liebe und was ich an ihnen bzw. generell an Menschen hasse (alle möglichen Ausprägungen des Egoismus bis hin zur Geltungssucht). Als Beziehung ist es seit grob drei Jahren eine Gratwanderung am Limit meiner Geduld, denn die Bösartigkeit ihrer Hausfrauen-Paranoia kennt kaum Grenzen. Als Mensch ist sie meine bisher größte Herausforderung.

Wie war das?

Die sind nicht verrückt. Das sind bloß Frauen.

Wenn ich mit den negativen Eigenschaften, die sie geradewegs wie eine Linse bündelt, umgehen kann, spätestens dann habe ich wohl den höchsten Grad an Selbstdisziplinierung erreicht ;)

Ihre Sturheit zu verstehen, das sie glücklich ist, ist enorm. Sie spürt es zwar, sagt es auch, inszeniert dann aber doch wieder Drama um Drama wegen völliger Hirngespinste. Was sich Menschen, überhaupt Frauen, so alles zusammendenken können, ist wirklich unglaublich. Und am Schlimmsten sind die, die glauben, sie seien klug und besonders empathisch und würden alle Menschen durchschauen (obwohl es eigentlich umgekehrt ist). Nur blöd, wenn es da mal nichts zu durchschauen gibt.

Würde nicht aus dem Rest der Woche und den langen Hyperfokus-Phasen soviel Kraft entstehen, wäre ich wohl schon längst an ihr gescheitert. Doch so sammle ich fleißig Plussternchen für meine Karma-Konto. Braucht ja jeder seine Pfadfinder-Aufgabe.

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Ich denke, dieser Blog hier hat nun endlich ausgedient. Spiel, Satz und Sieg. Godot, von dessen Nichtexistenz mittlerweile die ganze Welt überzeugt war, kam schließlich doch noch, sah sich im menschenleeren Raum um, pfiff 'The End' von den Doors und drehte das Licht ab.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Fundstück.

Das erstaunlichste Fundstück von Heute war ein stilles Mineralwasser für Euro 7,99 aus England. IMHO sind schon Preise im Euro-Bereich für die Flasche Wasser völlig überzogen, da es faktisch keinerlei nennenswerte Produktkosten gibt (bzw. Quellen sich auch für gewöhnlich nicht erschöpfen). Im Gegenzug zu Wasser sind die Produktionskosten von Energy-Drinks geradezu immens und trotzdem läßt sich selbst mit Energy-Drinks in wenigen Jahren ein Weltkonzern bauen, der faktisch Geld druckt, was an sich schon wirtschaftliches Wunder ist (siehe: Red Bull).

Den Menschen Wasser für knapp 8.- Euro anzudrehen, hätte ich eigentlich nur der katholischen Kirche zugetraut. Man lernt nie aus ...

Fundort war übrigens ein ganz gewöhnliches Supermarktregal.

Ehrlich gesagt.

Also ehrlich gesagt: mich hat verwundert, wie spät die Finanzkrise erst auftrat und welche Phantasiesummen da fast sang- und klanglos und mit Zustimmung der breiten Öffentlichkeit versenkt wurden. 2008 waren nur mehr rund 60% der deutschen Beschäftigungsverhältnisse unbefristet, d.h. fast jeder zweite Job hat(te) ein konkretes Ablaufdatum.

Erstaunlich. Wirklich erstaunlich. Wie schaffen es eigentlich die Nordländer mit ihren Sozialstaaten nicht zu scheitern? Wohin es seit den goldenen Arbeiterzeiten hier in Mitteleuropa geht, ist offensichtlich. Angesichts von 1-Euro-Jobs statt Mindestlöhnen und freiem Ausbildungsangebot in Deutschland liegt der Sozialstaat offensichtlich in seinen Todeswehen ...

Und wenn die Flachland-Chinesen so rumspinnen, spinnen die Alplandtodeln früher oder später auch so rum. Das ist wie das Amen im Gebet.

Über Hühner und Eier.

Wer die eigene Vergangenheit nach Ursachen und Wirkungen durchforschen will, steht grundsätzlich vor einem Huhn-Ei-Problem: was ist 'nur' erlernt und nachgeahmt (also Umgebungseinfluss), was ist Teil des eigenen Wesens, d.h. die eigenen freien Entscheidungen?

Je deutlicher mir das Wesen der Zeit meiner Kindheit ist (1968-1983), je deutlicher ich das individuelle Schicksal meiner Eltern aus deren Perspektive nacherleben und nacherfühlen kann, um so deutlicher sehe ich die Spuren meiner Kindheit und die Spuren ihrer eigenen Leben in meinem eigenen.

Eins der emotionalen Grundresümees meiner Kindheit lautete: wenn ich tagtägliche Nähe nicht über einen längeren Zeitraum leben kann, werde ich nicht Vater. Dieses Grundresümee gründet sich sowohl auf die eigene Perspektive (das Vermissen des Vaters bzw. der Nähe zu ihm) wie auch der tagtäglichen Indoktrination meiner Mutter, die gerne und lautstark ihrer 'vereinsamte Hausfrau'-Paranoia nachgab und selbst für ein Kind offensichtlich die Wirklichkeit extrem verzerrte. Anstatt das Ungeheuer zu sein als das sie ihn in ihren einsamen Schimpftiraden darstellte, war mir schon als Kind bewußt, das 'das mit Nähe' einfach nicht seins war. Wann immer er konnte entzog er sich, arbeitete lieber am Haus oder in den Wäldern. Im Gegensatz zu meiner Mutter habe ich ihn meist als den friedfertigsten Menschen erlebt (gerade im Umgang mit ihr und ihrem Gezetter).

Heute, nach vielen, zum Teil schlimmen Jahrzehnten der Ehe scheint meine Mutter ihn endlich "lassen" zu können. Teilweise ist es geradezu rührend anzusehen, wie sehr sie dem idealen Großelternpaar entsprechen, das mal einzeln, mal zu zweit, aber fast in allem einstimmig auftritt und nicht minder erstaunlich ist es, wie leicht und geschickt sie die unbändigbar erscheinenden Prinzesschen meiner Schwester in nette, kleine Mädchen verwandeln können. Was jedoch auch auffällt: das wirklichkeitsverzerrende Gezetter ist noch nicht ganz verschwunden.

Trotzdem: die Engelsgeduld meines Vaters konnte ich selbst nie aufbringen. Mögen es die Umstände meiner frühen Sozialisierung sein, mag es Intelligenz, die sich Bahn bricht, sein - im Grunde ist es völlig egal, warum uns etwas umtreibt. Wichtig ist nur, das es als Bedürfnis real und nicht eingebildet vorhanden ist.

Als Faktum bleibt die Erkenntnis, das mein Bedürfnis nach Nähe und nach menschlichen Interaktionen gering ist. Sobald eine Beziehung tagtägliche Aufmerksamkeit fordert, scheitere ich nach einer gewissen Zeit (und seien es Jahre), weil es mir nicht mehr gelingt in 'Arbeitstrance' (Hyperfokussierung auf ein Thema) zu gelangen und ich in Routinen zu ertrinken scheine. So schnell gemeinsame Rituale entstehen, so schnell werden sie auch hohl, werden sie mir zu Last, bildet sich der Eindruck einer Pflicht. Gut gemeint ist wirklich alles andere als gut - und gut gemeint habe ich es immer, habe auf die unterschiedlichsten Arten das eine oder andere zu leben versucht und bin doch schlußendlich damit gescheitert. Nach zig Anläufen entkräftet sich jedes Argument Richtung Zufall durch simple Wahrscheinlichkeit: genauso wahrscheinlich ist eine Serie an Lotterietreffern.

Im Grunde will ich jeden Moment mit voller Leidenschaft leben. Weder denke ich in Kategorien wie Arbeit und Freizeit oder in Tagesrhythmen wie Frühstück/Mittag/Abendessen. Alles Äußere bleibt solange Zwang und Pflicht, solange ich mich nicht zu 100% (auch über Tage) fokussieren darf.

Das Beste geben. Jeden einzelnen Moment. Und das aber völlig zwanglos, weil es sowieso aus einem hervorquillt und nicht zurückzuhalten ist und weil es vor allem einzig der Freiheit über die eigene Aufmerksamkeit bedarf.

Momentan erlebe ich mich am Gipfel meiner persönlichen Freiheit bezüglich meiner eigenen Aufmerksamkeit. Tage-, Wochen- und Monate kann ich mich ausschließlich auf einzelne Themen konzentrieren, darf mein eigenes Forschungszentrum sein, OHNE den fast zwangläufigen Preis der Beziehungslosigkeit zu bezahlen. Je mehr sie mich genau so sein läßt, umso intensiver und leidenschaftlicher wird unsere gemeinsame Zeit an den Wochenenden.

Die eigene Wohnung, die alleinige Zuständigkeit für deren Zustand und alle anderen Aspekte des tagtäglichen Lebens, ist für mich ein absolutes Muß. Weder ist eine gemeinsame Wohnung ein erstrebenswertes Ziel, noch zwei Wohnung, die eigentlich eine einzelne Wohnung an verschiedenen Orten ist. Ich muß es selbst spüren, wenn z.B. der Kühlschrank leer bleibt, weil ich unter der Woche die paar Minuten Einkaufen nicht erübrigen will. Ich mag den Selbstdisziplinierungseffekt. Ich mag es, Schritt für Schritt immer mehr Unwesentliches aus dem Alltag zu entfernen. Was nicht zufrieden und glücklich macht, was nur Ausprägung eines Suchtverhaltens ist, fliegt raus.

Manchmal erscheint mir meine Vergangenheit als fast wahllos zusammengewürfelte Serie verschiedenster Leben. Das einzig Gemeinsame scheint nur deren Unterschiedlichkeit zu sein. Aussehen und Wesen der jeweiligen Partnerin variiert über das gesamte Spektrum, die Form der Partnerschaft genau so. Anstatt das sich langsam ein konkretes Leben zu konstituiert, das gelebt werden will, herrscht geradezu völliges Chaos.

Schluß damit. Wenn mein Verstand schon ständig in geistigen Welten abtauchen will und teilweise innerhalb von wenigen Wochen und Monaten ganze Studienrichtungen durchackert, dann soll er. Oft genug habe ich mich dagegen entschieden und anderes versucht - aus Liebe, aus Verständnis oder aus mißverstandener Pflicht. Glücklich bin ich dabei nie geworden. Ganz im Gegenteil. Was uns glücklich macht, läßt sich nicht erzwingen.

Was jedoch aus meiner Perspektive ein gleichmäßiger, ununterbrochener Fluß ein und derselben Leidenschaft, die sich in den verschiedensten Aspekten des Lebens ausdrückt, ist , stellt sich aus ihrer Perspektive (der eines Familienmenschen) als schwerwiegendes Nähe-Distanz-Problem dar.

Reinhard Haller - Das ganz normale Böse.

Was ist das Böse und wie zeigt es sich? Auf kurzweilige Art plaudert Reinhard Haller aus dem Nähkästchen des Gerichtspsychiaters und zeichnet ein durchaus erkenntnisreiches Portrait des 'ganz normalen Bösen' an Hand konkreter Fälle aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Da ich momentan fast nur mehr trockene Fachbücher lese, kommt mir dieser - unerwartete - Ausflug in die Populärsparte gerade recht. Das 'ganz normale Böse' - also das mehr oder minder in mir selbst und jedem anderen präsente Böse - ist eins der Grundthemen, die mich in den letzten Jahren zum wiederholten Mal durch Psychologie, Psychotherapie, Neurowissenschaften wie auch Religionen getrieben hat. Warum machen Menschen, was sie machen und was lässt sich dagegen tun?

Der Ausflug war insofern unerwartet, da mich dieses Buch faktisch von selbst gefunden hat. Während eines Gesprächs über irgend etwas anderes, legte es mir neulich meine Schwester auf den Tisch und stapelte noch zwei Bücher darauf. Kein 'lies mal', kein 'schau interessant' - noch nicht mal irgendein Zusammenhang zu den Themen des Nachmittags. Nichts. Nur das Aufstapeln und das Mitnehmen des Stapels, als wäre das eine Art von eingeschworenem Ritual - eine Art von Mitgliedschaft in einem Lesezirkel, wie man es in Freundschaften manchmal findet. Von den Videostaffeln der 'Gilmore Girls' blieb ich allerdings verschont ...

Das tabuisierte Thema weibliche Gewalt, das Haller kurz anschneidet, erinnert mich an ein interessantes, autobiografisches Detail: mir ist noch keine Frau begegnet, die nicht irgendwann gewalttätig wurde. Die Bandbreite reicht von der 'gerechtfertigten' Ohrfeige bis hin zu Kindes- und Selbstmorddrohung inklusive Messerattacke. Gerade die Akzeptanz von Veränderung scheint manchen Menschen geradezu unmöglich und sie ergreifen jeglichen sich bietenden Ausweg und sei er - aus normaler Perspektive - noch so absurd. Subjektive Eintrübungen - die Verzerrung der Wirklichkeit durch an sich absurde Macht- und Besitzansprüche - machen schnell aus virtuellen Mücken reale, bösartige Elefanten.

Wirklich durch eine Frau bedroht, empfand ich mich nie. Das mag einerseits an meiner physischen Natur liegen, andererseits war da auch immer eine Art von Schuldbewußtsein, den anderen mehr oder minder in diesen Kontrollverlust getrieben zu haben. Aus friedfertigen Wesen, die gewöhnlich im wahrsten Sinn des Wortes keiner Fliege etwas zu Leide tun könnten, bricht sich Gewalt nicht "einfach so" Bahn. Die Umgebung und das konkrete Gegenüber ist fundamentaler Teil der Gleichung und somit verbleibt immer zumindest eine Teilschuld am Kontrollverlust. Dahinter steckt die rudimentäre Überzeugung das es zu jeder Eskalationsstufe genug Deeskalationsmöglichkeiten gibt. Ein simples 'der Klügere gibt nach' reicht dabei meist schon als Motivation. Das Nachgeben in der Eskalation ist dabei natürlich nicht mit dem Nachgeben der eigenen Position zu verwechseln. Der Klügere erkennt lediglich, das Gewalt und Kontrollverlust die Situation nur verschlechten.

Dienstag, 13. Juli 2010

Willensfreiheit.

In Bezug auf persönliches Glück und individuelle Zufriedenheit scheint auf großen Zeitskalen keinerlei Willensfreiheit zu existieren. Erst wer lebt, was er ist, erst wer in seinem Leben aufgehen kann, ist auch glücklich.